Berlin/Wien – EU-Kommissar Günther Oettinger hat dem deutschen Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Beratung durch Brüsseler Fachbeamte zur Pkw-Maut angeboten, um das neue Modell gegen mögliche Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu wappnen. Solche Klagen durch andere EU-Staaten seien nicht auszuschließen, sagte Oettinger der "Rheinischen Post" (Samstag).

"Deswegen stehen die Fachbeamten der Brüsseler EU-Kommission bereit, um Herrn Dobrindt bei der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes zu beraten", sagte der EU-Kommissar. Mit der Beratung der EU-Kommission dürfte die Rechtssicherheit dann sehr hoch sein, sagte der Deutsche.

Oettinger begrüßte grundsätzlich das neue Maut-Modell, auf das sich die deutsche Regierung und die EU-Kommission einigen könnten. "Wenn auch noch eine Umweltkomponente hinzu kommt, ist die deutsche Pkw-Maut zukunftsweisend", sagte er.

Einigung noch in diesem Monat?

Dobrindt rechnet mit einer Einigung über die Pkw-Maut in Deutschland mit der EU-Kommission noch in diesem Monat . "Wir bewegen uns in wirklich konstruktiven Gesprächen aufeinander zu. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir noch im November zu einer Einigung kommen", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Samstag). EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe in den vergangenen Wochen selbst starkes Engagement bei den Verhandlungen gezeigt, sagte Dobrindt. Nun gehe es nur noch um Details. Seien die letzten Fragen mit der EU-Kommission geklärt, müsse die technische Umsetzung wie die europaweite Ausschreibung der Maut angegangen werden. Die Abgabe werde darum erst "in der nächsten Legislaturperiode möglich sein". Es werde "keine Mehrbelastung für inländische Autofahrer" geben, versprach der Minister.

Österreich und auch die Niederlande sehen die geplante, von der CSU forcierte Maut kritisch. Nach den bisherigen Plänen sollen Autofahrer auf Bundesstraßen und Autobahnen maximal 130 Euro pro Jahr zahlen. Kontrolliert wird dies durch einen elektronischen Abgleich von Autokennzeichen – es gibt also keine klassische Klebe-Vignette. Inländer sollen im Gegenzug bei der Kfz-Steuer entlastet werden – und zwar auf den Cent genau in Höhe der Maut. Der Vorwurf aus Brüssel lautete bisher, das Maut-Modell benachteilige damit EU-Ausländer. "Es liegt der Eindruck nahe, dass sich die EU-Kommission auf einen Kuhhandel einlässt, um einem Konflikt mit Deutschland aus dem Weg zu gehen", sagte Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) am Freitag. Gegner könnten versuchen, sie mit einer Klage vor dem EuGH zu stoppen.

Mehr Bürokratie

Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft warnte unterdessen vor zusätzlicher Bürokratie durch die geplante Pkw-Maut. Betroffen seien gleich mehrere Verwaltungen, sagte der Gewerkschaftschef Dieter Dewes der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Das ist ein bürokratisches Monster." Die Pläne Dobrindts seien unausgegoren. "Es ist ein Politikum, das man durchsetzen will, punktgenau zum CSU-Parteitag – aber ohne Mehrwert." Unterm Strich werde die Maut keine zusätzlichen Einnahmen bringen.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte bereits gemahnt, dass eine Pkw-Maut unter dem Strich dem Staat mehr Geld einbringen müsse. Zu den konkreten finanziellen Folgen für Budget und Autofahrer beim überarbeiteten Maut-Konzept von Dobrindt hatte sich Schäuble noch nicht einlassen wollen.

Zusätzliche Arbeit komme zumindest auf das Kraftfahrtbundesamt (KBA) und die Zollverwaltung zu, warnte Dewes. Das KBA soll die Maut bei den inländischen Autobesitzern eintreiben müssen, der Zoll ist für die Kfz-Steuer zuständig, bei der Inländer im Gegenzug entlastet werden sollen. Für die Bezahlung der Pkw-Maut müssten SEPA-Lastschriftmandate erstellt werden. Die Verwaltungsschritte von der Zahlbarmachung, über die Kontrolle, die Ahndung möglicher Verstöße bis zur dann nötigen Vollstreckung seien vielfältig. Dewes mahnte: "Beim Kraftfahrtbundesamt und der Zollverwaltung ist kein Personal übrig." Der Zoll habe eine personelle Unterdeckung von zehn Prozent zu verkraften.

Der Gewerkschaftsvorsitzende erwartet auch Probleme durch die erwogene Staffelung der Erstattung bei der Kfz-Steuer nach Umweltfreundlichkeit der Autos. Denn fühlten Autofahrer ihre Fahrzeuge falsch eingeschätzt, dürften sie mit Widersprüchen reagieren. Der ganz Aufwand lohne sich nicht. "Es ist ein Nullsummenspiel", sagte Dewes. Ihm fehle die Vorstellungskraft, zu sagen, das rechne sich, wenn für alle inländischen Fahrzeuge die Pkw-Maut entrichtet werden müsse und das Geld dann zurückgezahlt werde. (APA, 5.11.2016)