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Großbritanniens Premierministerin Theresa May trägt selbstverständlich Poppy.

Foto: Reuters/Warmuth

In Großbritannien sind die Poppys derzeit wieder allgegenwärtig. Wer auf sich hält, muss jeden November eine der Mohnblumen aus Stoff oder Plastik tragen. Sie symbolisieren die Gefallenen des Empire auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges in Flandern und Nordfrankreich.

Diese Tradition des Gedenkens hat an Intensität zugenommen. Poppys tauchen nicht mehr nur an Revers auf. Überdimensional hängen sie an Bahnhöfen und Lastwagen, Zeitungen fügen die Blumen ihrer Titelseite hinzu, die Fußballteams der Premier League tragen sie auf dem Trikot.

Auch auf den Dressen der britischen Auswahlen sollten am 11. November, dem Jahrestag des Waffenstillstands von 1918, Poppys prangen. Im Wembley-Stadion treffen England und Schottland im WM-Qualifikationsspiel aufeinander. Am gleichen Tag spielt Nordirland gegen Aserbaidschan, einen Tag später Wales gegen Serbien. Doch der Fußballweltverband Fifa erinnerte den englischen Verband FA an sein Verbot politischer oder religiöser Symbole. Wer zuwiderhandle, müsse mit Punktabzug rechnen.

In Zürich hat man sicherlich nicht vergessen, dass der frühere Boss Sepp Blatter nicht zuletzt durch Enthüllungen in britischen Medien zu Fall kam. Jedenfalls soll es diesmal offenbar keinen Kompromiss geben wie im November 2011. Damals trat das englische Team zum Qualifikationsspiel gegen Spanien mit einer schwarzen Armbinde an, auf der das rote Poppy prangte. Fifa-Generalsekretärin Fatma Samoura jedenfalls zeigte diese Woche bei einem Besuch in London kein Entgegenkommen: "Großbritannien ist nicht das einzige Land, das unter Kriegen zu leiden hatte."

Im Rausch

Angefeuert von den nationalistischen Blättern herrscht Wut. Premierministerin Theresa May sprach im Unterhaus von einer "absoluten Empörung".

Die Briten haben sich einen grundsätzlichen Respekt vor dem Kriegshandwerk bewahrt. Instinktiv scharen sie sich um ihre Armee. Sie sind seit Jahrhunderten daran gewöhnt, dass "unsere Jungs" in die Welt geschickt werden und dort "for Queen and country" kämpfen. Selbst für gebildete Briten wie FA-Chairman Greg Clarke hat das Poppy "mit Politik nichts zu tun".

Das ist natürlich glatter Unsinn, wie sich spätestens dann erweist, wenn sich jemand dem "ziemlich unerfreulichen Poppy-Faschismus" verweigert, von dem der prominente TV-Moderator Jon Snow sprach. Wütende Proteste waren die Folge. Als der irische Teamspieler James McClean vom englischen Erstligisten West Bromwich Albion sich weigerte, ein Poppy-verziertes Trikot überzustreifen, erhielt er sogar Morddrohungen. Kein Moderator, kaum ein Interviewpartner zeigt sich in der öffentlich-rechtlichen BBC ohne Mohnblume.

Wie schon im Vorfeld des Brexit-Votums drängt sich nun auch in der Poppy-Debatte langsam der Eindruck auf, dass die Briten im nationalistischen Rausch jedes Maß zu verlieren drohen. (Sebastian Borger aus London, 4.11.2016)