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Zurückgepfiffen: Naftogas-Chef Andrej Kobolew.

AP/Wijngaert

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Die umstrittene Fördertechnik wird in der Ukraine mitunter als Kriegsgrund angesehen.

Foto: AP Photo/Rich Pedroncelli

Moskau/Kiew – Der Winter steht vor der Tür, und traditionell beginnen in der Ukraine die Spekulationen über die Gasversorgung des Landes. Während Präsident Petro Poroschenko seine Landsleute mit der Versicherung zu beruhigen suchte, dass die Energieressourcen der Ukraine auch ohne russischen Import ausreichten, um warm über den Winter zu kommen, schockierte sie der Chef des Energieversorgers Naftogas, Andrej Kobelew, mit Details zur geplanten Selbstversorgung.

In einem Interview erklärte der Naftogas-Chef die geplante Fördersteigerung von 20 auf 27 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr wolle der Konzern durch die Nutzung von Fracking-Technologien erreichen. Die erste Bohrung zur Erschließung von Schiefergas wurde demnach bereits durchgeführt. Da die Ukraine selbst keine Erfahrung bei der Technologie habe, setze das Land auf europäische Partner, fügte er hinzu.

Große Reserven

Einer Schätzung des US-Energieministeriums nach verfügt die Ukraine über die viertgrößten Schiefergasreserven Europas mit insgesamt 128 Billionen Kubikmetern. Damit könnte Kiew tatsächlich den Eigenbedarf auf lange Sicht selbst decken. Allerdings ist die Fördermethode Fracking wegen hoher Umweltrisiken in Europa stark umstritten und in mehreren Ländern verboten.

Die Naftogas-Pressestelle dementierte daher kurz darauf die Aussagen ihres Chefs. Es gehe nicht um Schiefergas. "Wir planen die Nutzung erschwinglicher moderner Technologien, um effizienter traditionelles Gas zu fördern. In der Ukraine gibt es genügend Erdgas, um auf den Import zu verzichten", heißt es.

Fracking als Kriegsgrund

In der Ukraine sind Ankündigungen zur Nutzung von Schiefergas doppelt brisant: Immerhin werden Fracking-Pläne immer wieder als ein Grund für den Ausbruch des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine genannt.

Während Kiew die Ansicht vertritt, dass Krim und Donbass von Russland auch infiltriert wurden, um sich die Kontrolle über die dortigen Bodenschätze zu sichern und die Unabhängigkeit der Ukraine bei der Energieversorgung zu verhindern, verbreiten Moskauer Medien die Theorie, dass das ukrainische Militär gezielt brutal gegen die russischsprachigen Einwohner im Donbass vorgehe, um den Landstrich zu entvölkern. Dadurch sei es später leichter, in dem dann menschenleeren Gebiet in großem Maßstab Fracking zu betreiben.

Pläne zur Schiefergasförderung existierten bereits unter Viktor Janukowitsch in Kiew. Es gab sogar schon diesbezügliche Verträge mit Shell und Chevron. Beide Unternehmen haben nach Ausbruch des Konflikts die Ukraine verlassen. Etwa die Hälfte der Schiefergasvorkommen des Dnepr-Donezk-Beckens liegt im Gebiet, das heute von den prorussischen Milizen gehalten wird. (André Ballin, 5.11.2016)