Die türkische Abgeordnete Figen Yüksekdağ wurde in der Nacht auf Freitag in der Türkei verhaftet.

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Zu sehen ist Figen Yüksekdağ auf dem Video, das ihre Festnahme zeigt, nie – dafür aber zu hören. Als die Polizei die Tür zur Wohnung der Co-Vorsitzenden der HDP-Partei – der drittstärksten Kraft im türkischen Parlament – in der Nacht auf Freitag knackte, filmten die Nachbarn mit der Handykamera mit. In den Aufnahmen schreit die Politikerin: "Brecht die Tür nicht auf! In fünf Minuten ist unser Anwalt hier!" Als sich die Polizisten bereits Zutritt verschafft hatten, protestierte die 45-Jährige weiterhin lautstark: "Ihr dürft nicht in meine Wohnung!"

Einen Hang zum Rebellischen kann man Yüksekdağ durchaus nachsagen: Sie wuchs als neuntes von zehn Kindern in einer nichtkurdischen, nationalistisch-konservativen Familie auf – in Gölovasi, einem Dorf in der Provinz Adana im Süden des Landes. Der Vater war gläubig, legte aber auf die Ausbildung aller Kinder, auch jene der Töchter, Wert. Yüksekdağs politisches Interesse war früh geweckt, noch im Gymnasium trat sie der Arbeiterbewegung bei.

Festnahme und Ausziehen mit 18

Mit 18 nahm sie an der Erster-Mai-Demonstration teil, wo sie festgenommen wurde. Die Eltern steckten die Tochter daraufhin in ein Internat. Diese aber schmiss kurzerhand die Schule, ließ Dorf und Familie zurück und zog nach Istanbul. Sieben Jahre lang sprach ihr Vater anschließend nicht mit ihr. 2002 kandidierte sie als unabhängige Kandidatin bei den Parlamentswahlen. Es dauerte bis 2014, ehe Yüksekdağ der Einzug gelang.

Ihre politische Arbeit begann bei der in der Türkei verbotenen marxistisch-leninistischen Partei MLKP. 2009 wurde sie wegen ihrer Tätigkeit in der von der MLKP herausgegebenen Zeitung "Atilim" festgenommen, ebenso wie auch ihr späterer Mann Sedat Şenoğlu, der auch für die Zeitung schrieb. Das Paar lebt kinderlos. Şenoğlu, 2016 wegen Mitgliedschaft in der MLKP zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt, wurde ebenfalls am Freitag verhaftet. 2010 gründete Yüksekdağ die Sozialistische Partei der Unterdrückten (ESP) mit, der HDP trat sie 2014 bei. Von Anfang an setzte sie sich vehement für die Rechte von Frauen ein.

Im Sommer 2015 legte sich die Politikerin mit der Regierung an, als sie dieser eine strategische und ideologische Nähe zur Terrormiliz "Islamischer Staat" unterstellte. Ihre Verhaftung lag bereits in der Luft: Im vergangenen Mai hob das Parlament die Immunität der Abgeordneten auf, Ende Oktober verbot ein Gericht Yüksekdağ die Ausreise. (Anna Giulia Fink, 4.11.2016)