Trotz vergleichbarer Leistungen erhalten Mädchen bereits in den ersten Volksschuljahren schlechtere Bewertungen als Buben.

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Mit dem vermeintlichen Geschlechterunterschied zwischen Buben und Mädchen in Mathematik haben sich in den vergangenen Jahren einige Studien befasst. Zuletzt analysierte ein vom Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) verfasster Bericht das deutlich geringere Selbstkonzept von Mädchen bezüglich der eigenen Mathematikfähigkeit. Jüngste Ergebnisse aus der Bildungspsychologie legen nahe, dass auch die Vorurteile und Geschlechterstereotype von Lehrerinnen und Lehrern Einfluss auf das Abschneiden von Schülern und Schülerinnen in Mathematik haben.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine aktuelle Studie der New York University. Demnach erhalten in den USA Buben bereits in den ersten Volksschuljahren deutlich bessere Bewertungen in Mathematik als Mädchen. Und das, obwohl Buben wie Mädchen laut der Studie mit ähnlichen mathematischen Fähigkeiten in die Vorschule kommen. Warum geraten Mädchen im Lauf der Schuljahre also ins Hintertreffen?

Einfluss auf Berufswahl

"Der Gender Gap bei den Topleistungen in Mathematik verdient besondere Aufmerksamkeit. Schließlich werden hier die Grundlagen für zukünftige Mathematiker, Informatiker und andere Berufe im Mint-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik, Anm.) gelegt – allesamt Berufsgruppen, in denen Frauen nach wie vor unterrepräsentiert sind", sagt Studienautor Joseph Robinson Cimpian, außerordentlicher Professor für Wirtschaftswissenschaften und Bildungspolitik an der New York University.

Die landesweite, aus Bundesmitteln geförderte Längsschnittstudie untersucht geschlechtsspezifische Muster und versucht zu erklären, warum Buben eher gute Noten in Mathematik erzielen als Mädchen. Dabei rückt das Forscherteam die Bildungsergebnisse US-amerikanischer Kinder im Volksschulalter in den Blickpunkt und beobachtet ihre Entwicklung im letzten Jahrzehnt. Volksschulklassen aus den Jahren 1998 und 1999 wurden dabei mit jenen von 2010 und 2011 verglichen. Insgesamt werteten die Wissenschafter und Wissenschafterinnen aus New York die Schulergebnisse und Daten von mehr als 12.500 Kindern aus.

Ungleiche Erwartungshaltung

Ergebnis: Mädchen und Buben würden trotz ähnlicher mathematischer Leistungen von Lehrern unterschiedlich bewertet. Lehrer würden allgemein davon ausgehen, dass Mädchen schlechter in Mathe seien, und sie deswegen auch schlechter benoten. Die ungleiche und diskriminierende Erwartungshaltung von Lehrern ist demnach maßgeblich für den Gender Gap in Mathematik verantwortlich, besagt die Studie.

"Trotz einer sich verändernden Bildungslandschaft legen unsere Ergebnisse nahe, dass der Gender Gap bei Kindern, die 2010 in die Vorschule kamen, auffallend ähnlich ist zu jenem von Kindern, die ein Jahrzehnt zuvor mit der Vorschule begannen", sagt Studienautor Cimpian. Und: Die geringere Erwartungshaltung von Lehrern gegenüber den mathematischen Leistungen von Mädchen würde über die Jahre hinweg zu einer "self-fulfilling prophecy", also einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Diese frühe Erfahrung von Ungleichbehandlung beeinflusse auch das Selbstkonzept von Mädchen und bewirke, dass sie eher keine mathematikbezogenen Berufe ergreifen. (chrit, 5.11.2016)