Syrische Regierungssoldaten auf Patrouille in Aleppo.

Foto: APA/AFP/Ourfalian

Aleppo/Damaskus – Während einer von Moskau ausgerufenen Feuerpause in Aleppo haben syrische Rebellen nach Angaben des Staatsfernsehens einen humanitären Korridor beschossen. Auf der Castello-Straße nördlich der umkämpften Stadt in Nordsyrien seien Raketen eingeschlagen, berichtete das syrische Fernsehen am Freitag.

Demnach wurde ein Reporter eines anderen Senders verletzt, das russische Verteidigungsministerium sprach zudem von zwei leicht verletzten russischen Soldaten.

In einer Erklärung des russischen Verteidigungsministeriums hieß es, selbstgebaute Bomben und Mörser hätten den westlichen Teil der Castello-Straße getroffen. Die beiden zur Überwachung der Feuerpause abgestellten Soldaten seien leicht verletzt worden. Etwa 50 Vertreter russischer, westlicher und arabischer Medien seien vorsorglich in Sicherheit gebracht worden.

Einseitige Feuerpause

Russland hatte einseitig eine humanitäre Feuerpause verkündet, die offiziell von 09.00 bis 19.00 Uhr Ortszeit gelten sollte. Zunächst gab es jedoch kaum Anzeichen dafür, dass Zivilisten oder Rebellen dem Aufruf folgten, den von Aufständischen kontrollierten Ostteil Aleppos zu verlassen.

Jassir al-Jussef von der Rebellengruppe Nureddin Sinki sagte, die Aufständischen seien von der Feuerpause nicht betroffen. Dabei handle es sich lediglich um einen "Propagandacoup" Moskaus.

Einwohner an Flucht gehindert

Dem Staatsfernsehen zufolge hinderten bewaffnete Gruppen Einwohner daran, aus dem Ostteil der Stadt zu fliehen. Dort sind mehr als 250.000 Menschen seit Juli eingeschlossen. Zwei im Osten und im Westen der Stadt anwesende Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten, dass niemand den Korridor Bustan al-Kasr benutzte. Auf der Internetseite des russischen Verteidigungsministeriums waren Bilder dieses und des Castello-Korridors mit bewaffneten Soldaten und Krankenwagen zu sehen.

David Swanson, Sprecher des UN-Büros für humanitäre Hilfe (Ocha), wies darauf hin, dass Menschen aus medizinischen Gründen nur nach entsprechenden Vorbereitungen der Konfliktparteien weggebracht werden könnten. Diese Vorbereitungen habe es aber nicht gegeben.

Die russischen Behörden und Syriens staatliche Medien werfen den bewaffneten Aufständischen vor, niemanden in die humanitären Korridore – sechs für Zivilisten und zwei für Rebellen – zu lassen und selbst nicht von dem Angebot Gebrauch zu machen, ihre Waffen niederzulegen und sich zu ergeben. Die Rebellen ihrerseits beklagen mangelnde Sicherheitsgarantien für sich und die Zivilisten.

Wenige Stunden vor der Feuerpause hatten bewaffnete Gruppen am Donnerstagabend den von der Regierung kontrollierten Westteil der Stadt angegriffen. Syrische Staatsmedien berichteten, durch Raketen- und Geschützfeuer der Islamisten seien zwölf Menschen getötet und mehr als 200 weitere verletzt worden. Die den Rebellen nahestehende Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, deren Angaben von unabhängiger Seite nur schwer zu überprüfen sind, sprach von 15 Toten in West-Aleppo, darunter mehrere Kinder. Seit dem vergangenen Freitag seien damit 69 Zivilisten getötet worden, unter ihnen 23 Kinder.

Die russische Luftwaffe unterstützt seit September 2015 die Truppen des syrischen Staatschefs Bashar al-Assad. Die einstige Wirtschaftsmetropole Aleppo ist seit dem Sommer 2012 zwischen Rebellen und Regierungssoldaten geteilt und schwer umkämpft. Am 18. Oktober setzten Damaskus und Moskau ihre Offensive aus und ließen damals bereits eine dreitägige "humanitäre Feuerpause" in Kraft treten. Hilfsorganisationen gelang es aber kaum, Zivilisten aus den Kampfgebieten zu bringen. (APA, 4.11.2016)