Auf Glasplatten hat der Künstler Horst Stein die Negative von Nazi-Porträts rekonstruiert. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg hatten viele Fotoateliers entsprechende Platten abgewaschen.

Foto: Horst Stein

Wien – Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten viele Menschen, ihre Nazi-Vergangenheit loszuwerden. Orden wurden vergraben, Ausweise vernichtet und Fotos verbrannt. Auch Fotoateliers bereinigten ihre Archive: Große Negativplatten aus Glas mit NSDAP-Porträts wurden abgewaschen und landeten teilweise in der Fensterproduktion. Das ehemalige Salettl am Wienerberg beispielsweise wurde so verglast. Diese für Österreich so typische Vergangenheitsverdrängung greift der Künstler Horst Stein in seiner Ausstellung "Durchsicht" auf, die im Rahmen des Fotografie-Festivals "Eyes On" von 5. bis 15. November im Atelier Setzer-Tschiedel in der Museumsstraße in Wien-Neubau zu sehen ist.

Stein kehrt den Prozess um: Auf neuen Platten erscheinen wieder wie Geister die Gesichter der NS-Zeit. Außerdem hat der Künstler schmutzige Fenster von arisierten Häusern fotografiert und mit Nazi-Porträts, vornehmlich Teilnehmern der Wannsee-Konferenz, kombiniert. Erst bei längerem Hinschauen treten die Porträts aus dem braunen Dreck hervor. Als einführenden Begleittext hat Stein eine Graphic Novel gezeichnet.

Erst bei längerem Hinsehen tritt das Porträt aus der braunen Schmutzemulsion hervor.
Foto: Horst Stein

Das Atelier Setzer ist bekannt für historische Porträts. Viele berühmte Persönlichkeiten aus der Theater-, Opern- und Kulturszene ließen sich seit 1909 in dem Dachgeschoßstudio hinter dem Volkstheater ablichten. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Atelier ohne nennenswerte Schäden, es ist eines der wenigen Studios aus der Pionierzeit der Fotografie, die noch in ihrem Gesamtbestand existieren. Nur zwischen 1939 und 1945 gibt es eben Lücken, auf die Horst Stein vor einigen Jahren aufmerksam geworden ist. Es war ihm ein Anliegen, seine Ausstellung hier präsentieren zu können.

Suche nach jüdischen Familien

In der Negative-Sammlung des Ateliers befinden sich auch noch Bilder jüdischer Bürger aus den 1920er- und 1930er-Jahren, die später ermordet oder vertrieben wurden. Das Atelier bemüht sich, Familien auszuforschen, um ihnen Bilder zukommen zu lassen. Stein: "Manche der Betroffenen haben so erstmals Fotos ihrer Eltern gesehen." (Michael Simoner, 5.11.2016)