Es ist eine der großen Fragen, über die sich ganz Europa den Kopf zerbricht: Wie wird ein junger Mensch aus Europa zum Terroristen? Woher kommt die Brutalität, die Bereitschaft zum Einsatz extremer Gewalt? Wer trägt Schuld daran und wie kann man die Radikalisierung verhindern? Peter Neumanns kurze Antwort auf all diese Fragen: "Die ganz einfachen Antworten sind fast immer falsch". Das schreibt der Professor für Sicherheitsstudien am renommierten Londoner King's College in seinem Buch Der Terror ist unter uns.

Und die falscheste aller falschen Antworten sei, dass Terroristen verrückt seien. Mit Ausnahme der sogenannten einsamen Wölfe nämlich treffe das auf Terroristen auch nicht mehr oder weniger zu, als auf den Rest der Bevölkerung. Die Gründe würden viel eher in unserer Gesellschaft liegen. Nur aber weil sich Radikalisierungsverläufe komplex darstellen, sind diese nicht unverstehbar.

Einer Erklärung genähert hat sich in den Medien zuletzt kaum jemand so oft wie Peter Neumann. Im Sommer, als Europa von einer Reihe von Anschlägen erschüttert wurde, gab es kaum eine Zeitung oder Fernsehstation rund um den Globus, von der er nicht interviewt wurde. Neumann beschäftigt sich seit zwanzig Jahren mit Terrorismus in all seinen Ausformungen, er leitet heute das International Centre for the Study of Radicalisation, das weltweit bekannteste Forschungsinstitut zum Thema Radikalisierung und Terrorismus. Nun hat der Deutsche, der früher als Journalist gearbeitet hat, ein Buch verfasst, das nicht den Anspruch erhebt, eine Erklärformel herzuleiten. Viel mehr liefert es Bausteine, die eine tragende Rolle bei der Radikalisierung von Menschen spielen und sie zu Terroristen oder Amokläufern werden lassen.

Basierend auf den Erkenntnissen aus Interviews, persönlichen Treffen und Netzrecherchen, die Neumann und sein Forschungsteam gesammelt haben, greift das Buch auch aktuelle Diskussionen auf: ob der Islam in einer Krise stecke oder welche Rolle das Internet spiele. Ein Buch, das sich auch wie ein Weckruf liest. (Anna Giulia Fink, 3.11.2016)