Leichtsinnig, wie man in Bezug auf die SPÖ gelegentlich ist, war man bisher der Hoffnung, die SPÖ habe, von Ausreißern à la Niessl abgesehen, im Großen und Ganzen ein geklärtes Verhältnis zur FPÖ: mit rechtsextremen EU-Gegnern keine Koalition. Nun hat ein steirischer SP-Landesfunktionär die Öffentlichkeit mit der tragischen Wahrheit konfrontiert: Die SPÖ habe seit Jahren ein ungeklärtes Verhältnis zur FPÖ, weshalb zur Behebung dieses Zustandes ein parteiinternes "Wertegremium" rote Standpunkte definieren und Möglichkeiten ausloten soll, "unter welchen Bedingungen eine Kooperation mit den Freiheitlichen möglich sein wird". Denn die Partei müsse die in den letzten Jahren immer brisanter werdende Frage von Koalitionen klären.
Die Partei müsste nicht plötzlich die Frage von Koalitionen klären, hätte sie nicht zwanzig Jahre lang abgewirtschaftet, ohne auf die Brisanz dieser Entwicklung zeitgerecht und angemessen zu reagieren. Nun ist sie so weit, dass sie sich selbst als koalitionäres Problem für die FPÖ wahrnimmt, statt umgekehrt, wie bisher offiziell, diese FPÖ für ein Problem der Demokratie zu halten, mit der in ihrem jetzigen Zustand eine Koalition nicht infrage kommen kann. Das ganze Wertegefasel ist lächerlich, liegt doch auf der Hand, dass man es nicht länger der ÖVP überlassen will, sich Strache anzubiedern und sich damit in eine Koalition mit ihm zu schmeicheln. Wenn sich zu einer Politik, mit der man die Bürgerinnen und Bürger nicht überzeugen kann, auch noch eine gewisse Grundsatz- und Wertetreue schlägt, gerät man eben leicht "in eine strategisch nachteilige Position". Nur – an den Werten liegt das nicht. Nicht einmal ein Strache will als Rassist gelten.
Dass, abgesehen von den im Grundsatzprogramm verankerten Werten, nicht einfach der Parteivorstand das aktuelle Verhältnis zur FPÖ und die Möglichkeit einer Koalition mit ihr klären kann, sondern dafür ein "Wertegremium" benötigt wird, lässt eine Umwertung bisheriger Prinzipien erwarten – sonst sinnlos. Die Gremialvorsteher sozialdemokratischer Werte sollen sich aus Landesvertretern und dem Bundesgeschäftsführer zusammensetzen, initiiert vom momentanen Kärntner Landeshauptmann. Dessen Landespartei ist ja quasi weltberühmt für das gekonnte Bereiten des freiheitlichen Tigers.
Die Verburgenländerung der SPÖ, mit der Kaiser die koalitionäre Handlungsfähigkeit der Partei endlich herstellen will, soll homöopathisch über die unteren Verwaltungsebenen vorangetrieben werden. Dort ist Zusammenarbeit aber oft vorgeschrieben, und es geht eher um praktische Fragen als um grundsätzliche Werte. Wird es gehobener, zeigt allein schon das Beispiel Oberösterreich, wie leicht ein Landeshauptmann in die Geiselhaft des Rechtsextremismus gerät.
Versuche, die SPÖ auf bläulich umzuschminken, sind kein Heilmittel für ihre Probleme. Sie kommen überdies zu einem denkbar ungünstigen Termin. Vier Wochen vor der Bundespräsidentenwahl können sie geradezu als Wahlempfehlung für den Kandidaten der Partei verstanden werden, der man sich andienen will. SP-Wähler müssen eben selber wissen, warum sie Van der Bellen wählen sollen. (Günter Traxler, 3.11.2016)