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Gibt die Menscheit weitere 1.000 Gigatonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre ab, ist damit zu rechnen, dass das arktische Meereis im September verschwunden sein wird.

Foto: AP/Dirk Notz

Hamburg – Vieles spricht dafür, dass die aktuelle Entwicklung in nicht allzu ferner Zukunft am Ende des Sommers in einen völlig eisfreien Nordpol münden wird. Wann diese dramatische Zäsur tatsächlich eintreten könnte, ließ sich bisher allerdings kaum abschätzen. Klar ist nur, dass die Menge an frei werdendem Kohlendioxid eine Schlüsselrolle dabei spielt. Das könnte sich nun ändern: Forschern um Dirk Notz und Julienne Stroeve vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg ist es gelungen, eine direkte Verbindung zwischen Eisschmelze und CO₂-Ausstoß herzustellen.

Die Zahlen erlauben es erstmals, den persönlichen Beitrag zur globalen Klimaerwärmung intuitiv zu erfassen. Die Studie erläutert auch, warum Klimamodelle häufig ein langsameres Abschmelzen des Eises simulieren – und sie zeigt, dass das 2-Grad-Celius-Erwärmungsziel nicht ausreicht, um das Arktische Meereis auch im Sommer zu erhalten.

Unterschätzter Eisverlust

In den letzten vierzig Jahren hat sich die Fläche des sommerlichen Meereises in der Arktis etwa halbiert, was als eines der deutlichsten Zeichen der globalen Erderwärmung gilt. Das verbliebene Meereis könnte laut Simulationen mit Klimamodellen bei weiter fortschreitender Erderwärmung bis zur Mitte unseres Jahrhunderts ebenfalls verschwunden sein. Allerdings wurde wiederholt gezeigt, dass viele Klimamodelle den Verlust des Meereises unterschätzen, sodass sie möglicherweise nicht die besten Werkzeuge sind, um die zukünftige Entwicklung der Eisbedeckung zu prognostizieren.

Die nun im Fachjournal "Science" präsentierte Studie schätzt daher erstmals die zukünftige Entwicklung des arktischen Meereises zuverlässig direkt aus Beobachtungsdaten ab. Hierfür haben die Autoren den Zusammenhang zwischen der Meereisfläche und dem Ausstoß von Kohlendioxid untersucht.

"Die Messdaten ergeben dabei einen ganz einfachen, linearen Zusammenhang", erläutert Hauptautor Dirk Notz. "Für jede Tonne CO₂, die irgendjemand freisetzt, schwindet das Arktische Sommermeereis um 3 Quadratmeter". Seine Koautorin Julienne Stroeve ergänzt: "Bisher hat sich der Klimawandel immer irgendwie abstrakt angefühlt. Unsere Ergebnisse stellen dieses Gefühl fundamental in Frage. Wir können jetzt zum Beispiel direkt ausrechnen, dass die Kohlendioxid-Emissionen auf einem Hin- und Rückflug von Frankfurt nach San Francisco pro Sitz etwa 5 Quadratmeter Meereis in der Arktis abschmelzen lassen."

Linearer Zusammenhang

Die Studie erklärt auch, warum der Zusammenhang zwischen Treibhausgasemissionen und Meereisverlust linear verläuft: "Vereinfacht ausgedrückt, erwärmt sich pro Tonne Kohlendioxid das globale Klima um ein kleines bisschen. Um diese Erwärmung auszugleichen, bewegt sich der Eisrand des Arktischen Packeises ein kleines Stück in Richtung Nordpol, weil dort die Sonneneinstrahlung schwächer wird. Hierdurch nimmt dann die Eisfläche entsprechend ab. Aus geometrischen Gründen ergeben diese Prozesse den beobachteten, linearen Zusammenhang", erläutert Notz.

Klimamodelle zeigen ebenfalls einen solchen linearen Zusammenhang zwischen Meereisfläche und Kohlendioxid-Ausstoß. Allerdings simulieren sie häufig einen deutlich geringeren Eisverlust pro ausgestoßener Tonne CO₂. Die "Science"-Studie zeigt, dass dies vermutlich daran liegt, dass die Modelle die Zunahme der Wärmestrahlung in der Arktis unterschätzen. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Eis vor allem deswegen zu langsam schmilzt, weil sich die Arktis zu wenig erwärmt, und nicht, weil die Eismodelle fundamental falsch sind", sagt Stroeve.

Zwei Grad Celsius sind zuviel

Was die zukünftige Entwicklung angeht, so scheint nach den neuen Ergebnissen das international beschlossene 2-Grad-Celsius-Erwärmungsziel nicht auszureichen, um das Packeis der Arktis im Sommer vor dem Verschwinden zu retten. Aus den Beobachtungsdaten ergibt sich, dass das Eis im September komplett abgeschmolzen ist, sobald noch etwa weitere 1.000 Gigatonnen CO₂ ausgestoßen worden sind.

Diese Emissionsgrenze wird häufig auch als realistische Abschätzung für das 2-Grad-Celsius-Erwärmungsziel angenommen. Nur für die deutlich geringeren Emissionen, die die globale Erwärmung wie im Klimaabkommen von Paris gefordert auf 1,5 Grad Celsius begrenzt, würde das Arktische Meereis auch im Sommer noch existieren können, schließt die neue Studie. (red, 4.11.2016)