Zwischen die Fronten des US-Wahlkampfs geraten: FBI-Direktor James Comey.

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Im Finale eines US-Präsidentschaftswahlkampfs ist für gewöhnlich der gegnerische Kandidat das Hauptziel einer Wahlkampagne. Doch derzeit ist James Comey neues Lieblingsziel von empörten Demokraten, nachdem der FBI-Direktor wenige Tage vor der Wahl in einem Brief den US-Kongress informiert hat, dass möglicherweise neue Mails im Zusammenhang mit der E-Mail-Affäre von Hillary Clinton aufgetaucht sind. Harry Reid, demokratischer Senator aus Nevada, wirft Comey nun vor, diese Information – ob die gefundenen E-Mails überhaupt von Bedeutung sind und zu weiteren Ermittlungen führen werden, ist völlig unklar – bewusst an die Öffentlichkeit gebracht zu haben und damit das Gesetz gebrochen zu haben.

Wenige Wochen zuvor hatten ihn bereits Donald Trump und führende Republikaner attackiert, weil der FBI-Direktor keine Empfehlung für eine Anklageerhebung gegen Clinton in der E-Mail-Affäre aussprach, obwohl er der demokratischen Kandidatin öffentlich Verfehlungen vorwarf.

Von Demokraten respektiert

In Washington war Comey schon vor seiner Bestellung zum FBI-Direktor 2013 nicht unbekannt. Obwohl er einige Zeit als Republikaner registriert war, unterstützen ihn die Demokraten bei seiner Bestellung im US-Kongress.

Deren Respekt hatte sich Comey einige Jahre zuvor verdient: Im März 2004 lag Justizminister John Ashcroft schwerkrank auf der Intensivstation eines Spitals in Washington. Alberto Gonzales, damaliger Spitzenberater von George W. Bush, und Andrew Card, Stabschef im Weißen Haus, wollten allerdings ein umstrittenes Abhörprogramm der Regierung erneuern. Ashcrofts damaliger Stellvertreter Comey weigerte sich aber. Also eilten Gonzales und Card ins Spital, um Ashcroft zu überzeugen, das umstrittene Geheimdienstprogramm dennoch zu genehmigen. Ashcrofts Juristen im Justizministerium – darunter Comey – hatten zuvor bereits Bedenken gegen die Maßnahme geäußert. Mit Erfolg: Trotz seines instabilen Zustands verweigerte Ashcroft die Unterschrift.

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Für die Clintons ist Comeys prominente Rolle wohl ein unerwartetes Déjà-vu. Bereits in den 1990ern war Comey Mitarbeiter im Whitewater-Komitee des Senats, um Vorwürfe gegen die Clintons in Zusammenhang mit umstrittenen Immobiliendeals in Arkansas zu untersuchen.

Als Bundesstaatsanwalt untersuchte Comey 2002 erneut Vorwürfe gegen Bill Clinton – diesmal in Zusammenhang mit der Begnadigung von Marc Rich, der wegen zahlreicher Vergehen angeklagt war. Comey ging Vorwürfen nach, dass Richs Exfrau Spenden an die Demokratische Partei, die President-Clinton-Bibliothek und den Senatswahlkampf von Hillary Clinton überwiesen haben soll und im Gegenzug Bill Clinton ihren Ehemann begnadigt hatte. Die Vorwürfe führten allerdings zu keiner Anklage.

Nun ist Comey mitten im Wahlkampffinale zwischen die Fronten geraten. Sich erfolgreich vor den Angriffen zu ducken wird ihm schwerfallen: Der FBI-Direktor ist über zwei Meter groß. (Stefan Binder, 31.10.2016)