Im Schatten der strengen Bankenregeln wächst das sogenannte Schattenbankenwesen. Vor allem in Europa nehmen die Aktivitäten dieser Institutionen zu. Experten warnen vor den Gefahren.

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Wien – Es war die US-Investmentgesellschaft Blackstone, die Ende 2014 dem US-Basketballklub Brooklyn Nets finanziell aus der Patsche geholfen hat. Der Sportklub musste damals einen 60-Millionen-Dollar Kredit refinanzieren und bekam von den Banken kein akzeptables Angebot – obwohl er eines der bekanntesten Teams der US-Liga NBA hat und mit dem russischen Milliardär Michail Prochorow einen finanzstarken Besitzer. Blackstone lieh dem Klub das Geld und übernahm damit das klassische Kreditgeschäft einer Bank – ohne selbst eine zu sein.

Tätigkeiten dieser Art werden unter "Schattenbanken" zusammengefasst und stehen seit der Finanzkrise in der Kritik. Denn Einrichtungen wie Zweckgesellschaften, Verbriefungsvehikel, Geldmarktfonds, Hedgefonds und – je nach Definition – Pensionskassen und Versicherungen betreiben bzw. übernehmen immer öfter Tätigkeiten, die eigentlich den Banken zugeschrieben werden.

Der Haken daran: All diese Einrichtungen unterliegen nicht der mittlerweile recht streng gewordenen Bankenregulierung. Das niedrige Zinsumfeld führt aber dazu, dass Anleger ihr Geld vermehrt bei Vermögensverwaltern investieren oder in private Kreditfonds stecken, die so wiederum mehr Kredite ausschütten können.

Laut dem Financial Stability Board waren 2014 weltweit bereits 75,2 Billionen Dollar (68,8 Bio. Euro) im Schattensystem geparkt – fast die Hälfte davon (48 Prozent) in Europa. Weltweit entsprechen die 75,2 Billionen 25 Prozent aller Werte des globalen Finanzsystems und dem 1,2-Fachen der globalen Wirtschaftsleistung (BIP). In der Eurozone machten die Aktivitäten von Schattenbanken 2014 bis zu 24,5 Bio. Euro aus – das 2,4-Fache des BIP. Das geht aus einer Studie der Arbeiterkammer hervor.

Europa gibt sich zögerlich

In den USA wurde unter anderem mit dem Dodd-Frank Act (zur Förderung der Stabilität des Finanzmarktes) auf die wachsende Gefahr durch Schattenbanken reagiert. "Europa hinkt hier drastisch hinterher", sagt Thomas Zotter von der Abteilung Wirtschaftswissenschaft der AK Wien. So ließen die Amerikaner etwa Geldmarktfonds mit garantiertem Nominalwert auslaufen. Denn diese "operieren mit einlagenähnlichen Verbindlichkeiten, die jederzeit abgezogen werden können", sagt Zotter. Ein Run auf so einen Fonds könnte den Geldmarkt austrocknen – ähnlich wie in der Krise, als Banken sich untereinander kein Geld mehr geborgt haben.

In Europa sind diese Fonds nicht verboten, "es wurde ihnen lediglich ein besseres Liquiditätsmanagement vorgeschrieben", erläutert Zotter. Mit den strengeren Eigenkapitalvorschriften für Banken seien diese aber mitnichten vergleichbar. "Das Risiko verschwindet nicht, nur weil es woanders hin verlagert wird", mahnt er ein forscheres Vorgehen der EU ein. Es überrasche daher auch nicht, dass Europa jene Region ist, in der Schattenbanken am stärksten wachsen. Seit 2008 habe deren Anteil am gesamten Finanzsektor des Euroraums zugenommen und liegt laut der AK-Studie bei rund einem Drittel.

Aktivster Schattenbankensektor in Luxemburg

Das kleine Land Luxemburg etwa hat in absoluten Zahlen den aktivsten Schattenbankensektor aller EU-Staaten mit 4,8 bis 7,97 Billionen Euro – das sind bis zu 23 Prozent des gesamten Sektors in Europa und das bis zu 163-Fache des nationalen BIP. Der Schattenbankensektor ist dort fast achtmal größer als der restliche Finanzsektor.

Ungefähr gleich groß wie in Luxemburg ist, in absoluten Zahlen, der Schattenbankensektor in Großbritannien. Dort entspricht dieser aber "nur" dem 3,5-Fachen der Wirtschaftsleistung. Dazu kommt, dass der reguläre Bankensektor gut dreimal so groß ist wie der Schattenbankensektor. Die anderen EU-Länder mit umfangreichen Schattenbankenaktivitäten sind die Niederlande, Irland, Malta und Zypern. Dort macht der Schattenbankensektor das Acht- bis 21-Fache des BIP aus.

Österreich liegt hier im EU-Mittelfeld, die Schattenaktivitäten werden in der Studie mit maximal dem 1,2-Fachen des BIP veranschlagt. Der reguläre Finanzsektor ist hierzulande gut dreimal so groß wie der Schattenbankenbereich und kommt auf das 4,5-Fache der Wirtschaftsleistung. In Österreich nehme die Bedeutung des Schattenbankensektors sogar ab. Geldmarktfonds, Hedgefonds und Verbriefungsgesellschaften spielten hier kaum eine Rolle. Nur weil etwas Transparenz in das System gebracht wurde und Gefahren sichtbarer gemacht wurden, "heißt das nicht, dass diese Gefahren auch handelbar geworden sind", warnt der AK-Experte. (Bettina Pfluger, 31.10.2016)