Im Vergleich zur Aufregung um Ceta in Europa hat der Freihandelsvertrag in der kanadischen Öffentlichkeit keine hohen Wellen geworfen. Zwar berichteten die kanadischen Medien über die Hindernisse und Verzögerungen. Aber ihre Titelgeschichten widmeten die Zeitungen den amerikanischen Wahlen oder der kanadischen Krankenschwester, die sieben Patienten umbrachte. Es fehlen auch Ressentiments, obwohl Kanada durch die internen Probleme der Europäischen Union nicht gerade würdig behandelt worden war.

Viele Kanadier haben den Eindruck, dass die EU seit dem Brexit mit vielen Herausforderungen zu kämpfen hat und deshalb nicht immer funktionstüchtig ist. So übt sich Kanada in Nachsicht. Für den Durchschnittsbürger liegt Europa ohnehin weit weg. Die Furcht dagegen, dass in den USA der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta aufkündigen will, ist in Kanada viel greifbarer als das Gezerre um den Vertrag mit der EU.

Für Justin Trudeau und sein liberales Kabinett bedeutet die Unterzeichnung von Ceta trotz allem einen diplomatischen Erfolg, den sie mit Stolz vorweisen werden. Die konservative Opposition im Parlament hatte bisher die ganze Schuld an den Verhandlungsproblemen der Trudeau-Regierung zugeschoben.

Grüne kritisch

Aber nicht alle Kanadier sind mit Trudeau einverstanden, der Ceta als einen der fortschrittlichsten Freihandelsverträge bezeichnete. Die Vorsitzende der grünen Partei, Elizabeth May, hatte Trudeau aufgefordert, nicht nach Brüssel zu reisen, sondern zu Hause eine Diskussion zu führen, "sodass die Kanadier die Risiken von Ceta verstehen, inklusive der Anwendung von riskanten Bestimmungen zugunsten ausländischer Investoren".

Der Council of Canadians, eine Nonprofitorganisation kritischer Bürger, widersetzte sich Ceta ebenfalls, vor allem, weil nun ausländische Firmen angeblich Wasserquellen in Kanada besitzen könnten. Dessen Vorsitzende Maud Barlow hatte nach dem Abbruch der Verhandlungen noch getweetet: "Es ist offiziell! Wallonien bleibt fest. Es wird kein Ceta-Vertrag unterzeichnet, bis ihre legitimen Anliegen berücksichtigt werden. Danke, Wallonien!" Jetzt dürfte Maud Barlow nicht mehr so dankbar sein.

Aushöhlung der Demokratie

Auch die zehn kanadischen Universitätsprofessoren, die das wallonische Parlament aufgerufen hatten, den Vertrag nicht zu ratifizieren, weil er ausländischen Investoren zu viel Macht gebe, werden sich nicht freuen. In der linken Zeitung Toronto Star, Kanadas auflagenstärkstem Blatt, schrieb die Kolumnistin Linda McQuaig, dass Ceta Kanadas Demokratie unterhöhle.

Trotzdem bleibt es in Kanada um Ceta relativ ruhig. Die konservative Zeitung National Post behauptet, dass sich die Kanadier nicht wie manche Europäer vor der Globalisierung fürchteten: "Es ist bemerkenswert, wie sich die Kanadier vergleichsweise wenig sorgen und demonstrieren und zu verhindern suchen."

Das hat sicher auch damit zu tun, dass der Durchschnittskanadier nicht weiß, wie sich Ceta auf die kanadische Wirtschaft auswirken wird und was genau darin festgehalten ist.(Bernadette Calonego aus Vancouver, 30.10.2016)