Nach zehn Monaten und zwei Wahlen hat Spanien endlich eine neue Regierung. Mariano Rajoy wurde am Samstag vom Parlament in zweiter Sitzung erneut zum Premier gewählt. 170 Abgeordnete aus den Reihen seiner konservativen Partido Popular (PP), der rechtsliberalen Ciudadanos (C's) sowie der Regionalisten der Kanarischen Inseln stimmten für ihn. Das reichte nicht für die absolute Mehrheit. Aber dank der Enthaltung der Sozialisten (PSOE) erlangte Rajoy mehr Ja- als Nein-Stimmen (111) und ist damit weiterhin im Amt. Rajoy bedankte sich nach der Abstimmung persönlich beim sozialistischen Fraktionssprecher Antonio Hernando.

15 Sozialisten brachen die Parteidisziplin und stimmten auch im zweiten Durchgang mit Nein. Der Anfang des Monats von Befürworten der Stimmenthaltung gestürzte ehemalige PSOE-Chef Pedro Sánchez trat kurz vor der Parlamentssitzung als Abgeordneter zurück. "Ihr ahnt wohl, warum ich verzichte", erklärte er in einem offenen Brief an seine Abgeordnetenkollegen und den geschäftsführenden Parteivorstand. Sánchez will sich bei künftigen Urwahlen erneut um das Amt des PSOE-Chefs bewerben.

Erinnerungen an 2011

Vor dem Parlament demonstrierten über 100.000 Menschen gegen Rajoys Wahl und die Enthaltung der Sozialisten. "PSOE und PP – die gleiche Scheiße", skandierten sie einen Ruf von 2011, als Empörte aus Protest gegen Korruption und Zweiparteiensystem Plätze besetzt hielten.

Rajoy steht jetzt vor der Aufgabe, in Minderheit zu regieren. Für alle wichtigen Entscheidungen – wie den anstehenden Haushalt, bei dem auf Druck aus Brüssel weitere 5,5 Milliarden Euro eingespart werden sollen – muss er sich eine Mehrheit im zersplitterten Parlament suchen. "Wenn sie unsere Bedingungen erfüllen, wird alles gutgehen", erklärte der C's-Vorsitzende Albert Rivera. PP und C's haben sich auf einen 150-Punkte-Katalog geeinigt, in dem mehrere umstrittene Maßnahmen Rajoys aus dessen erster Legislaturperiode abgeschwächt werden.

Sozialistensprecher Hernando kündigte an, dass seine Partei ab Montag "eine strenge Oppositionspolitik" machen will. Das wird nicht leicht, denn Rajoy kann das Parlament jederzeit auflösen und Neuwahlen ansetzen. Die Sozialisten würden in diesem Fall ihre an der Basis und bei den Wählern unbeliebte Enthaltung zugunsten der Konservativen mit weiteren Stimmenverlusten bezahlen.

Absage an Unabhängigkeit

Rajoy weiß das: "Das gleiche Verantwortungsbewusstsein, das zur Enthaltung geführt hat, ist auch für die Zukunft nützlich", verlangt er weitere Unterstützung durch die Sozialisten. Er wolle eine "Regierung, die in der Lage ist zu regieren". Der Konservative bietet C's und der PSOE ständigen Dialog an und definierte auch gleich die roten Linien. "Es hat keinen Sinn, alle Reformen zurückzunehmen", verteidigt er Sparpolitik und Eingriffe in den Arbeitsmarkt. Außerdem lasse er mit sich nicht über die Einheit Spaniens diskutieren.

Dies richtet sich an die katalanischen Abgeordneten der Sozialisten, die ein Unabhängigkeitsreferendum befürworten. Rajoy fuhr nach der Parlamentsdebatte erst einmal ins verlängerte Wochenende und will sein Kabinett erst am Donnerstag vorstellen.

Podemos-Chef Pablo Iglesias ging bei seiner Rede mit den Sozialisten und deren Stimmenthaltung hart ins Gericht. Die ständige Alternanz zwischen Konservativen und Sozialisten sei am Ende, das bisherige Parteiensystem in der Krise.

Iglesias, dessen Partei in den großen Städten des Landes regiert und bei den unter 45-Jährigen stärkste Partei ist, sieht sich als Vertreter "eines neuen modernen und jungen Spaniens". (Reiner Wandler aus Madrid, 30.10.2016)