Auch nicht gerade groß ist die Mopsfledermaus, die zu den Glattnasen gehört. Sie hört aber wie all ihre Verwandten bestens.

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Dass Raum und Zeit eng miteinander verbunden sind, gehört ja schon seit Jahrhunderten zum physikalischen Grundlagenwissen. Ein Beispiel für diese Gesetzmäßigkeit aus der Natur kennt man seit 1793 zumindest in Ansätzen, seit der Italiener Lazzaro Spallanzani eine recht befremdliche Beobachtung gemacht hat. Fledermäuse, deren Augen ausgestochen wurden, konnten sich in der Finsternis bestens orientieren. Der Grund: Die Säugetiere arbeiten in der Dämmerung und in der Nacht mit Echoortung.

Die Tiere sehen aufgrund der Tageszeit nur schwarz-weiß und nützen das physikalische Phänomen der Kreuzkorrelation. Das heißt: Sie stoßen Töne im Ultraschallbereich aus. Das Echo und der Zeitpunkt, wann es zurückkommt, hilft ihnen, die Distanz eines "für sie interessanten Objekts" zu ermitteln, wie Claudia Kubista von der Universität für Bodenkultur in Wien erklärt. "Sie bauen somit ein dreidimensionales Bild der Umgebung auf."

Fledermäuse erkennen auf diese Weise Hindernisse beim Flug, ob Bäume oder Sträucher, um rechtzeitig auszuweichen. Sie können damit aber auch Insekten und Spinnentiere orten, also alles, was auf ihrem Speisezettel steht. Das Talent ist für Landsäugetiere ziemlich einzigartig. Im Meer sind auch Zahnwale dazu imstande: Delfine oder der weiße Beluga stoßen über ihr markantes Organ "Melone", das über dem Oberkiefer liegt, Ultraschalllaute aus und wissen durch das darauf folgende Echo die Entfernung zu schwimmendem Futter oder zu Fressfeinden.

Nicht ganz so weit entwickelte Formen der Ortung sind ebenfalls bekannt – bei Spitzmäusen oder Vogelarten wie dem Fettschwalm. Manche Insekten haben sogar als Überlebensstrategie die Fähigkeit entwickelt, den Ultraschall wahrzunehmen – und können der Fledermaus ausweichen. Aber an die fliegenden und schwimmenden Säuger kommt niemand heran.

Eingebaute Stoppuhr

Die Fledermaus, von der es allein in Österreich 28 Arten gibt – 22 davon leben in Wien –, hat mit der Echoortung sogar gegenüber dem Menschen Vorteile: Wer weiß schon ganz genau, wie weit ein Baum vor seinen Augen wirklich entfernt ist? Die Fledermaus weiß es – instinktiv – durch diese, man könnte eigentlich sagen, eingebaute Stoppuhr.

Aber wie das in der Natur eben ist, haben die genialsten, besonders einfach wirkenden Lösungen die komplexesten Erklärungen: Nicht jede Fledermausarte erkennt die Richtung des Echos auf die gleiche Weise, sagt Boku-Forscherin Kubista.

Menschen, die die Augen schließen, wenn sie am Fußgängerweg ein Einsatzfahrzeug hören, können feststellen, ob es von links oder rechts kommt. Spätestens dann, wenn der Schall näherkommt und vorbeigeht. Fledermäuse schaffen diese Richtungsortung auch, allerdings nur, wenn zwischen den beiden Ohren genügend Platz ist, um den Unterschied zwischen links und rechts wirklich festzustellen.

Da es aber Fledermäuse gibt, die auf einen abgewinkelten Daumen passen, deren Kopf also denkbar klein ist, muss die Evolution mindestens eine weitere Variante der Ortung parat haben: Hufeisennasen zum Beispiel erzeugen einen gebündelten Schallstrahl über die Nasenöffnungen, die wie Trichter ausschauen. Kubista: "Sie erzeugen eine Art Laser." Die Tiere können die Umgebung somit regelrecht abscannen. Sie wissen: Ein Echo, das sie aus einer Richtung empfangen, kann nur durch ein Objekt aus eben dieser Richtung entstanden sein.

Umwelt- und witterungsbedingtes Zeitempfinden

Claudia Kubista finalisiert gerade ihre Doktorarbeit. Sie arbeitet mit hoch entwickelten Geräten, die Fledermausrufe als solche erkennen und aufzeichnen. Mit einer nachgeschalteten Software – und dem Wissen der Experten und Expertinnen der Boku – kann man dann die Laute den einzelnen Arten zuordnen und Artenlisten von den untersuchten Standorten erstellen

Für ihre Diplomarbeit hat sie noch Fledermäuse gefangen und "besendert", damit sie die Tiere beobachten konnte. Ein recht mühsames Unterfangen, wie sie berichtet. Man stellt Fangnetze auf. Das Problem dabei ist nur: Fledermäuse, egal welche Art, sind wie alle Säugetiere sehr lernfähig, merken sich den Ort, wo das Netz steht – und weichen rechtzeitig aus. "Da war ich schon viele Nächte draußen", resümiert die Wissenschafterin.

Beobachtungen sind übrigens nur bei idealen Witterungsbedingungen möglich. Im Herbst versuchen einige Fledermäuse in den wärmsten Nächten noch so viel wie möglich zu fressen, um Fett für die Überwinterung aufzubauen. Ein Zeitempfinden, das umwelt- und witterungsbedingt ist. Unter zwölf Grad sind sie allerdings kaum mehr unterwegs, denn ab diesem Temperaturwert nimmt auch die Insektenaktivität ab.

Fledermäuse, die normalerweise in Wien und Umgebung leben, zieht es dann nach Frankreich, Fledermäuse, die in Polen leben, kommen hierher. Manche Arten überwintern auch vor Ort, halten Temperaturen von wenigen Minusgraden schon aus, brauchen aber dafür gleichbleibende Bedingungen – und die herrschen zum Beispiel in Höhlen. Wenn es zu warm am Überwinterungsplatz wird, dann wachen sie auf, verbrauchen dabei Fettreserven. Es heißt, dass sie bis zu viermal aufwachen können. Danach würden sie nicht mehr aufwachen.

Tröstliche Vorstellung

Insgesamt gibt es etwa 1300 Fledermausarten. Die meisten davon leben in den Tropen, weil es dort das ganze Jahr über Nahrung gibt – Insekten genauso wie Früchte. Am amerikanischen Kontinent lebt zum Beispiel der Gemeine Vampir, ein Blutsauger, der ähnlich wie Schlangen, Wärme erkennen kann, also weiß, wo das Blut am besten fließt. Er ist auch auf ruhigen Herzschlag getriggert, weshalb er zubeißt, wenn das Opfer schläft.

Kubista sagt, dass Vampirfledermäuse ganz entgegen ihrem schlechten Ruf, sehr altruistisch sind. Wenn nämlich andere Tiere ihrer Gattung Hunger haben, dann würgen sie Blut heraus, um sie so zu füttern, was angesichts des Schreckens, den sie als Mythos verbreiten, doch eine recht tröstliche Vorstellung ist. (Peter Illetschko, 29.10.2016)