Bild nicht mehr verfügbar.

Panzer der irakischen Armee südlich von Mossul am Mittwoch.

Foto: AP Photo/Marko Drobnjakovic

Mossul/Erbil – Die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" hat nach UN-Angaben in den vergangenen Tagen in und um die nordirakische Stadt Mossul mehr als 250 Menschen hingerichtet und fast 8.000 Familien entführt. Wie das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte am Freitag mitteilte, will der IS die entführten Zivilisten offenbar in Mossul als menschliche Schutzschilde missbrauchen. Der Regierungschef der irakischen Kurdengebiete, Neshirvan Barzani, forderte unterdessen mehr Waffen für den "Kampf um Mossul".

"Der IS hat zehntausende Menschen aus ihren Häusern in die Bezirke um Mossul gezwungen", sagte die UN-Menschenrechtssprecherin Ravina Shamdasani. Am Mittwoch sollen den Angaben zufolge auf dem Militärstützpunkt Issa außerhalb von Mossul 42 Zivilisten erschossen worden sein, weil sie sich dem IS-Befehl verweigerten, in die Großstadt zu ziehen.

Auch ehemalige Angehörige der irakischen Sicherheitskräfte wurden den UN-Angaben zufolge von den Jihadisten getötet. Am Dienstag hätten die IS-Kämpfer 24 und am Mittwoch 190 ehemalige Angehörige der Sicherheitskräfte getötet, teilte das UN-Menschenrechtsbüro mit. Das Massaker am Mittwoch wurde demnach auf dem Militärstützpunkt Ghaslani in Mossul verübt. Die Berichte seien so weit wie möglich überprüft worden, sagte die UN-Sprecherin. Es müsse von weiteren, noch unbestätigten Hinrichtungen ausgegangen werden.

Am 17. Oktober hatten die irakische Armee und kurdische Einheiten eine Militäroffensive zur Befreiung von Mossul gestartet. Die Zahl der Hinrichtungen nimmt den UN-Angaben zufolge zu, je näher die irakischen Soldaten und die kurdischen Peschmerga-Kämpfer sowie schiitische Milizen auf die Großstadt vorrücken. In der IS-Hochburg Mossul werden bis zu 5.000 IS-Kämpfer vermutet.

Die Kämpfe beunruhigen zunehmend auch die Türkei, da schiitische Milizen ins Grenzgebiet vorstoßen wollen. Die Regierung in Ankara fürchtet, dass damit neue Fluchtbewegungen in der überwiegend sunnitischen Bevölkerung ausgelöst werden könnten. Der Hohe Kommissar für Menschenrechte, Seid al-Hussein, zeigte sich auch über Ankündigungen von Schiitenmilizen besorgt, die aufseiten der irakischen Armee gegen den sunnitischen IS kämpfen. Sprecherin Shamdasani wies darauf hin, dass einige Milizionäre im Fernsehen angekündigt hätten, nach dem Motto "Auge um Auge und Zahn für Zahn" mit Unterstützern des IS in den eroberten Gebieten zu verfahren.

Am Freitag kündigten die schiitischen Milizen eine Offensive gegen IS-Stellungen westlich von Mossul an. Stoßrichtung sei die Stadt Tal Afar im Grenzgebiet zur Türkei. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte gewarnt, die Türkei werde Maßnahmen einleiten, sollte der Ort angegriffen werden. Dort lebten Sunniten und schiitische Turkmenen, bis die Schiiten 2014 vor IS-Kämpfern flüchteten. Die Türkei fürchtet, der Einsatz der vom Iran unterstützten schiitischen Milizen in der sunnitisch geprägten Region könnte zu Konflikten zwischen den Religionsgruppen führen. Zudem fühlt sich die Regierung in Ankara für dort lebende Turkmenen verantwortlich.

Der kurdische Regierungschef Barzani sagte der "Bild"-Zeitung vom Freitag, die Kurden benötigten zur Verteidigung gegen den "schier unendlichen Vorrat an Selbstmordattentätern" beim IS mehr Waffen und Munition. "In diesem Krieg um Mossul werden wir noch mehr Waffen brauchen, es ist der bisher schwierigste Kampf", sagte Barzani in dem Interview, das im nordirakischen Erbil geführt wurde.

Barzani rechnet nach eigenen Angaben damit, dass Mossul "in spätestens drei Monaten befreit" sein könne. Die Kurden im Nordirak seien der deutschen Regierung sehr dankbar für die Ausstattung mit Panzerabwehrraketen vom Typ Milan, dadurch seien bereits "viele Leben gerettet" worden, fügte Barzani hinzu.

Seit September 2014 haben Bundeswehrsoldaten in Erbil rund 11.000 Kämpfer im Umgang mit deutschem Kriegsgerät ausgebildet. Am Sturm auf Mossul beteiligen sich bis zu 4000 Peschmerga-Kämpfer. Die US-geführte Anti-IS-Koalition unterstützt sie durch Luftangriffe.

Neben den "Milan"-Raketen und Panzerfäusten lieferte Deutschland mehrere tausend Sturmgewehre sowie mehrere Millionen Schuss Munition. Zudem erhielten die Peschmerga gepanzerte "Dingo"-Truppentransporter, Funkgeräte, Nachtsichtgeräte und Zelte. Bis Anfang Oktober gelangte so deutsches Kriegsgerät im Umfang von mehr als 2200 Tonnen in den Irak.

Die deutsche Bundesregierung reagierte zurückhaltend auf die neuen Forderungen. Beim Besuch von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Bagdad und Erbil Ende September seien zusätzliche Waffenforderungen für die Mossul-Offensive "überhaupt kein Thema" gewesen, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Vielmehr sei in allen Gesprächen "hohe Zufriedenheit" mit der deutschen Unterstützung geäußert worden. (red, Reuters, APA, 28.10.2016)