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An den Neujahrsfeiertagen gehen die Japaner in den Tempel oder zum Schrein.

Reuters / Toru Hanai

Convenience-Stores sind zu einem unverkennbaren Merkmal der japanischen Städte geworden. In jeder Stadt findet man alle paar Hundert Meter einen Conbini, wie die Japaner sagen. Sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag, auch jeden Feiertag geöffnet, kann man dort die Produkte für das tägliche Leben kaufen.

Teilzeitarbeitskräfte und eine ausgeklügelte Logistik machen den Betrieb rund um die Uhr möglich. In Japan, wo viele Singles leben und viele Menschen sehr lange Arbeitszeiten haben, wächst ihre Beliebtheit auch 25 Jahre nach ihrer Erfindung immer noch.

Die Conbini haben die verstaubten Tante-Emma-Läden, die schon vor Jahrzehnten wie aus der Zeit gefallen wirkten, verdrängt. Vor allem in den vielen sehr dörflichen Wohnvierteln Tokios hatten sich diese Läden als Überbleibsel einer vergangenen, ruhigen Lebensform lang gehalten.

Sehnsucht nach Stille

Aber es gibt in den Grätzeln und Tempelvierteln noch immer viele kleine Gässchen und verträumte Winkel, in denen die Zeit stillzustehen scheint. Am Wochenende machen die Tokioer aus dem modernen Tokio eine Zeitreise in diese Grätzeln, um etwas von dem stillen, idyllischen Tokio zu erleben, nach dem sie sich irgendwie sehnen. Dort gibt es in die Jahre gekommene Izakayas, Kneipen, in denen man zwischen den Stammgästen am abgenutzten Tresen auf alten Hockern sitzt und mit seinen Nachbarn und der Mama-san, der Wirtin, ins Gespräch kommt, Shochu, den japanischen Süßkartoffelschnaps, trinkt und Kleinigkeiten verzehrt. Der Andrang ist oft größer als die Zahl der Sitzplätze.

Essen und Trinken sind billig, und die meist in die Jahre gekommene Einrichtung sorgt für eine gemütliche Atmosphäre, die ganz im Gegensatz zur Rastlosigkeit des Lebens in Tokio steht. Wahrscheinlich sind die alten Izakayas gerade deshalb so beliebt.

Japan wirkt ja auch deshalb so rastlos, weil das nominell freie Wochenende keine Zeit des Zur-Ruhe-Kommens ist, wie das vor dem Hintergrund der christlichen Tradition noch immer in westlichen Gesellschaften der Fall ist. Auch am Samstag wird an den Apartmenthochhäusern, die die Wohnviertel immer mehr bedrängen, gebaut, und viele Angestellte arbeiten nach den langen Arbeitstagen in der Woche auch noch am Samstag.

Lauf der Zeit

Der Sonntag dient dazu, das zu tun, wozu man während der Woche keine Zeit hat: Pärchen gehen shoppen, die Männer zum Friseur, und die Kinder machen Sport im Baseball- oder Volleyballklub der Schule.

Nur an den Neujahrsfeiertagen vom 1. bis zum 3. Jänner kommt Japan zur Ruhe. Dann herrscht selbst in Tokio eine große Stille. Die Japaner gehen in den Tempel oder zum Schrein und bitten um Gesundheit und Schulerfolg für die Kinder.

Aber auch hier zeigt sich der Lauf der Zeit. Denn in den letzten Jahren öffneten immer mehr Kaufhäuser und Restaurants schon am 2. Jänner wieder, weil die Menschen doch gerade dann einmal Zeit haben, um ausgiebig zu shoppen und ins Restaurant zu gehen. (Siegfried Knittel, 3.11.2016)