Sarajevo/Wien – Er war schon Teil der Sammlung des kaiserlich-königlichen Hofmuseums, noch bevor diese auf die neugebauten Museen an der Wiener Ringstraße aufgeteilt wurde: Der bronzezeitliche Vogelwagen von Glasinac in Bosnien gehört zu den herausragenden Objekten der prähistorischen Sammlung des Naturhistorischen Museums in Wien.

Anlässlich eines Empfangs zum Nationalfeiertag in der österreichischen Botschaft in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo wurde am Mittwoch dem Landesmuseum von Bosnien-Herzegowina eine originalgetreue Kopie des Kultwagens übergeben.

22 cm lang, 13 cm breit, 17 cm hoch: Der Vogelwagen von Glasinac aus der prähistorischen Sammlung des NHM.
Foto: NHM Wien

Die 1888 als k.u.k. Landesmuseum von Bosnien-Herzegowina gegründete Institution ist das bedeutendste Museum des Staates. Die Sammlung verfügt über mehr als vier Millionen Objekte, von denen nur fünf Prozent in den Schauräumen gezeigt werden können. Als Folge ungeklärter Finanzierungsfragen der Kultureinrichtungen im in die beiden serbischen und bosnisch-kroatischen Landesteile zersplitterten Staates war das Museum zwischen 2012 und 2015 geschlossen. Durch eine Kampagne von Künstlern und Prominente, die auch von der österreichischen Botschaft unterstützt worden war, konnte das Haus wieder aufsperren. Im Moment ist die Finanzierung bis 2018 provisorisch gesichert. Die Replik des Vogelwagens als Teil der kulturellen Identität Bosniens gehört zu der Initiative, die gesamtstaatliche Bedeutung der Institution sichtbar zu machen.

Fund in Grabhügel

Entdeckt wurde der Vogelwagen im Jahr 1880 in einem Grabhügel auf der Hochebene von Glasinac östlich von Sarajevo. Das Werk eines prähistorischen Bronzegießers ist zwischen 2.600 und 3.000 Jahre alt und kam bald darauf als Schenkung eines Offiziers in die kaiserlichen Sammlungen. Die Einzelteile des Wagens sind aus Bronze gegossen, lediglich die Achsen sind aus Eisen gefertigt. Das Gestell ist vorne und hinten mit Vögeln verziert, darüber ist ein kleiner Kessel in Form eines Wasservogels montiert. Der Deckel des Gefäßes wird ebenfalls aus einer Vogelfigur gebildet.

Über die Funktion des Wagens können nur Vermutungen angestellt werden, da das Kultobjekt aus einer Zeit ohne schriftliche Zeugnisse stammt. Allerdings sind aus dieser Epoche von verschiedensten Fundorten in Europa ähnliche, häufig auch mit Vögeln geschmückte Wägen bekannt. Es muss sich also um eine universell verständliche Botschaft gehandelt haben. Möglicherweise fanden die Wägen bei Kulthandlungen Verwendung, um eine bewegte Geschichte zu inszenieren.

Puzzle

Mit der Herstellung der Kopie wurde Walter Prenner, der Restaurator der prähistorischen Sammlung des NHM beauftragt. Dazu musste das wertvolle Stück in seine Einzelteile zerlegt werden und Stück für Stück mit Silikon abgeformt werden. Damit ein möglichst authentisches Bild garantiert ist, wurden die Silikonformen auf den Innenseiten mit einer Pigmentschicht ausgekleidet, um dem verwendeten Epoxidharz schon die richtige Tönung zu geben. Für das originale Erscheinungsbild wurden die fertigen Abgüsse nachkoloriert. Selbst die Wandstärke des Kessel entspricht jeder des Originals.

Der Großteil der Replik wurde aus Epoxidharz gegossen, zusätzlich wurden verschiedene Teile aus Metall hergestellt. Als Achsen wurden Gewindestangen aus Eisen eingesetzt, auch für den Unterbau und Teile des Vogelkörpers wurden Stücke aus Metall gefertigt. Mit freiem Auge sind Original und Kopie des Wagens praktisch nicht unterscheidbar.

Die Kosten für die Herstellung der Replik teilen sich das NHM und das Außenministerium zu gleichen Teilen. Ab 2017 wird das Stück in Sarajevo ausgestellt. (Michael Vosatka, 28.10.2016)

Die Einzelteile des Originals nach der Demontage.
Foto: NHM Wien
Das Original des Kessels wird abgegossen.
Foto: NHM Wien
Die Abgüsse der Räder in ihren Formen.
Foto: NHM Wien
Der Deckel des Kessels mit seiner Gussform, dahinter die verwendeten Pigmente.
Foto: NHM Wien
Das komplette Set der Silikonformen.
Foto: NHM Wien
Original und fertige Kopie.
Foto: NHM Wien
NHM-Direktor Christian Köberl mit seinem Kolegen Mirsad Sijarć, dem Direktor des Landesmuseums von Bosnien-Herzegowina.
Foto: NHM Wien