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Am 14. Februar 2002 läutete Asimo aus dem Hause Sony die Sitzung an der New Yorker Börse ein. Seither beeinflussen Roboter auch immer stärker den laufenden Handel an den Finanzmärkten.

Foto: Henny Ray Abrams

London – Das britische Pfund ist auf einem historischen Tief. Laut den kompilierten Daten der Bank of England lag der Kurs des Pound Sterling seit 168 Jahren noch nie so niedrig. In der Londoner City machen Investmentbanker bereits Witze über den "Great British Peso" oder die "Brexit-Lira" – so stark hat die Währung abgewertet. Doch der Wertverfall wurde nicht nur durch Menschen verursacht, sondern auch durch Maschinen. Experten sind sich sicher, dass Algorithmen für den jüngsten Kurssturz Anfang Oktober verantwortlich sind.

Was war geschehen? Am 7. Oktober, zwischen 7.07 Uhr und 7.09 Uhr Singapurer Ortszeit, stürzte das Pfund um 6,1 Prozent ab. Die Händler trauten ihren Augen nicht, als sie den Kurseinbruch auf ihren Bildschirmen sahen. Nach einer halben Stunde erholte sich der Kurs wieder und stabilisierte sich bei 1,24 Dollar. Finanzexperten vermuteten zunächst einen "Fat-Finger-Trader", also eine versehentlich ausgelöste Transaktion aufgrund eines Tippfehlers. So etwas ist auf den Devisenmärkten nicht unüblich.

Computer außer Kontrolle

Doch schon bald wuchs die Einsicht, dass in dem Crash eine elektronische Komponente steckte. Namentlich nicht genannte Analysten des Finanzdienstleisters City Index sagten dem Guardian: "Anscheinend war es ein außer Kontrolle geratener Algorithmus, der den Verkauf auslöste, nachdem er folgende Aussage des französischen Präsidenten François Hollande aufgeschnappt hatte: Wenn Theresa May und ihr Kabinett einen harten Brexit wollen, dann bekommen sie einen harten Brexit."

Solche automatischen Handelsprogramme werden vor allem im Hochfrequenzhandel eingesetzt, wo es auf Mikrosekunden ankommt. Der Vorteil dieser Algo-Trader ist, dass sie Transaktionskosten senken und nicht emotionsgesteuert, sondern rational nach einem vorgegebenen Skript operieren. Viele dieser Algorithmen scannen aber auch Breaking News und soziale Medien, sodass sie nicht ganz immun gegen Stimmungen und den Herdentrieb auf den Märkten sind. Im konkreten Fall des Pfunds könnten Computerprogramme auf das falsche Signal im Handel aufgesprungen sein und durch automatisierte Transaktionen eine Dynamik in Gang gesetzt haben, bei der der Pfund-Verfall zur selbsterfüllenden Prophezeiung wurde. Der Crash war gewissermaßen vorprogrammiert.

"Der automatisierte Handel kann die Volatilität über kurze Phasen erhöhen", erklärt die Finanzprofessorin Maureen O'Hara von der Cornell University, "weil manche Algorithmen Stimmungsschwankungen als Handelssignal nutzen und damit die Volatilität verstärken." Es war auch nicht das erste Mal, dass Algorithmen einen Kurssturz verursachen. Im Jänner stürzte der südafrikanische Rand wegen erratischer Bots ab. Und im August sorgten Algo-Trader für Turbulenzen auf dem neuseeländischen Währungsmarkt.

Flash Crash der Wall Street

Zu einem folgenschweren Beben war es schon am 6. Mai 2010 in den USA gekommen: Der Dow Jones rutschte binnen weniger Minuten um 1000 Punkte ab, fast eine Billion Dollar an Börsenwert wurden vernichtet. Der britische Aktienhändler Navinder Singh Sarao soll aus seinem Zimmer in London mit einer ausgeklügelten Software die Computer der Derivatebörse Chicago Mercantile Exchange (CME) manipuliert und so eine verhängnisvolle Kettenreaktion in Gang gesetzt haben. Der als "Flash Crash" in die Börsengeschichte eingegangene Kurssturz wurde zum Inbegriff eines hochriskanten Finanzsystems, in dem kleinste Fehler in der Computerprogrammierung die Weltwirtschaft in schwere Krisen stürzen können. Sarao drohen in den USA wegen Betrugs und Marktmanipulation 350 Jahre Haft.

Allein, die Gefahren für die Finanzmärkte sind damit nicht gebannt. Der Finanzprofessor und ehemalige Chefökonom der US-Börsenaufsicht CFTC Andrei Kirilenko warnt vor den systemischen Risiken des automatisierten Handels. "Derzeit wird die Mehrheit des Handels mit Sicherheiten von Derivaten von Algorithmen abgewickelt, die Entscheidungen in Mikrosekunden treffen. Die Schnelligkeit, Automatisierung und Komplexität erhöhen das Risiko eines Marktzusammenbruchs, wenn auch nur temporär."

Händler könnten den Markt mit Fake-Offerten fluten und Bot-Trader dann zu Fehlkalkulation verleiten, die zu Kaskadeneffekten und schlimmstenfalls zu Marktversagen führen – so wie beim Flash Crash der Wall Street. (Adrian Lobe, 28.10.2016)