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Feuerwehrleute verschaffen sich einen Überblick in Borgo Sant'Antonio.

REUTERS / Max Rossi

Ein zerstörtes Haus in Visso.

APA / AFP / TIZIANA FABI

Macerata/Rom – Rund 3.000 Obdachlose, mehrere Verletzte und riesige Sachschäden, so lautet die vorläufige Bilanz von drei schweren Erdbeben, die am Mittwochabend die mittelitalienische Region Marken erschüttert haben. Durch die Erdstöße obdachlos gewordene Menschen verbrachten aus Angst vor weiteren Erdbeben eine Albtraumnacht in ihren Autos oder im Freien. Die Gemeinden organisierten Zelte und Notunterkünfte.

Zivilschutzchef Fabrizio Curcio schloss aus, dass die Obdachlosen in Zeltlagern übernachten werden. "Wir werden sie in Hotels unterbringen, denn der Winter kann in der Gegend sehr kalt werden", sagte Curcio.

Schlechtes Wetter und Stromausfälle erschwerten den Einsatz der Feuerwehrmannschaften in den am stärksten betroffenen Ortschaften Ussita, Camerino, Visso und Castelsantangelo sul Nera. Erhebliche Sachschäden gab es auch in Arquata del Tronto, einer bereits bei einem Beben am 24. August schwer zerstörten Gemeinde. In der ganzen Region Marken sowie in Teilen der Regionen Latium und Abruzzen blieben die Schulen am Donnerstag geschlossen, da die Stabilität der Gebäude kontrolliert werden muss.

Spitäler mussten geräumt werden

Wahrscheinlich in Folge des Erdbebens hat ein 73-Jähriger einen Herzinfarkt erlitten und ist gestorben. Der Schock könnte den Infarkt ausgelöst haben. Unmittelbare Todesopfer des Bebens, die auf Schäden an Gebäuden zurückzuführen sind, wurden nicht gemeldet. Ein Kind wurde in der Kleinstadt Camerino beim Einsturz der Wohnung seiner Eltern schwer verletzt. Zahlreiche Spitäler der Gegend und die Strafanstalt von Camerino mussten aus Sicherheitsgründen geräumt werden.

In Visso war der heftigste Erdstoß gemessen worden. Die Stärke variierte nach Angaben unterschiedlicher Erdbebenwarten zwischen 5,9 und 6,1. Viele Menschen hatten hier wegen eines Vorbebens schon ihre Häuser verlassen und hielten sich im Freien auf. "Das Erdbeben ohne Ende", titelte die römische Tageszeitung "La Repubblica". "Als Mittelitalien dabei war, sich von der Katastrophe vom 24. August zu erholen, bebt die Erde wieder. Zum Glück gibt es keine Todesopfer", kommentierte Zivilschutzchef Fabrizio Curcio. Seismologen schlossen nicht aus, dass die drei Beben vom Mittwochabend mit dem verheerenden Erdstoß am 24. August zusammenhängen.

Unzählige Nachbeben

20 Auslandösterreicher, die in der größeren Umgebung des Erdbebengebiets wohnen, sind wohlauf. Die österreichischen Botschaft in Rom nahm mit ihnen Kontakt auf. Zwei Österreicher, die näher am Epizentrum leben, mussten aus Sicherheitsgründen ihre Wohnungen verlassen. Es gebe keine Hinweise, dass sich zurzeit Touristen aus Österreich in der betroffenen Region aufhalten, hieß es in Rom.

Weitere Nachbeben wurden am frühen Donnerstag gemeldet, zwei davon mit einer Magnitude über 4,0, teilte das nationalen Institut für Geologie und Vulkanologie mit. Ein Beben mit der Magnitude 4,1 wurde um 5.19 Uhr wahrgenommen. Es folgte ein weiteres mit 4,4 um 5.50 Uhr. Insgesamt wurden über 200 Nachbeben gemeldet.

Bestürzung

Die Erdstöße ereigneten sich in jener Region, die erst Ende August von einem heftigen Beben getroffen worden war. Damals kamen 298 Menschen ums Leben, die meisten von ihnen in der Ortschaft Amatrice. Bürgermeister Sergio Pirozzi sagte, auch in seinem Ort sei es erneut zu Schäden gekommen. Viele Menschen verbrachten die Nacht in einer Sporthalle.

Die Beben lösten Bestürzung aus. "Ich bin den Menschen, die vom neuen Erdbeben in Mittelitalien betroffen sind, im Gebet nahe", schrieb der Papst auf Twitter.

Der italienische Premier Matteo Renzi hat die Region am Donnerstagnachmittag besucht und der betroffenen Bevölkerung Mut gemacht. "Wir sind stärker als das Erdbeben. Wir geben nicht auf. Wir werden diese Gemeinden schnell wiederaufbauen", versicherte der Ministerpräsident. Ganz Italien stehe an der Seite des Erdbebengebiets.

Sein Kabinett habe am Donnerstag bereits 40 Millionen Euro für erste Hilfsmaßnahmen locker gemacht, sagte Renzi. "Wir werden nicht zulassen, dass die Bevölkerung den Winter in Zeltlagern verbringt", versicherte der Premier.

Kulturgüter schwer beschädigt

Schwere Schäden wurden am Kulturerbe der Region Marken gemeldet. Die Kirche San Salvatore in Campi di Norcia stürzte ein. Ein zwei Meter großes Steinkreuz auf der Spitze der Hauptfassade der Basilika des Heiligen Benedikt stürzte ab. Zum Glück fiel das schwere Kreuz auf das Dach der Kirche und nicht auf den Platz vor der Basilika. 16 Kirchen in Norcia waren nicht mehr zugänglich. Für Messen wurde ein Zelt errichtet. In der umbrischen Stadt Norcia, Geburtsstadt des Heiligen Benedikt (geb. 480) hatte schon das verheerenden Erdbeben vor zwei Monaten Schäden angerichtet.

Auch in Visso stürzte eine Kirche ein. Dort wurde auch ein Museum beschädigt, in dem Manuskripte des italienischen Dichters Giacomo Leopardi (1798–1837) aufbewahrt werden. Die Manuskripte sollen vorläufig in ein Museum in Bologna gebracht werden. Alle Häuser in Visso seien beschädigt und nicht mehr bewohnbar, sagte der Bürgermeister des Dorfs, Giulio Pazzaglini. (red, APA, 27.10.2016)