Fünf Millionen Terrorverdächtige sind auch für den mit Massenprozessen sehr erfahrenen türkischen Staat natürlich eine große Menge. So viele Wähler konnte die prokurdische Partei der Demokratischen Völker (HDP) zuletzt bei den Parlamentswahlen vor einem Jahr für sich gewinnen. Die HDP hat ihre Anhänger auch bei den anderen Minderheiten, bei den im Land verbliebenen Armeniern, Griechen, Juden, syrischen Christen sowie generell bei Vertretern der liberalen Intelligenz in den Städten. Aber ihre Wahl war falsch, wie diese Bürger der türkischen Republik nun erkennen müssen, gewissermaßen kriminell.

Mit Verve stellen sich die türkische Regierung und die von ihr orientierte Justiz der Aufgabe, den Weiterbestand des Landes zu schützen. Zwei Dutzend gewählte Bürgermeister der HDP in kurdischen Städten haben sie bereits im Vormonat abgesetzt. Nahezu die ganze Parlamentsfraktion der HDP erwarten seit der Aufhebung der Immunität Strafverfahren und Inhaftierung. Dass auch die kurdische Millionenstadt Diyarbakir an die Reihe kommen würde, war nur eine Frage der Zeit. Auch die beiden Oberbürgermeister, die sich das Amt teilen, werden beschuldigt, in der einen oder anderen Weise Gehilfen der PKK zu sein.

Abgesetzte Bürgermeister ersetzt die türkische Regierung durch staatliche Verwalter. Da liegt natürlich der Gedanke nahe, auch die fünf Millionen HDP-Wähler zu ersetzen. Sie waren es ja, die die Politiker ins Amt brachten. (Markus Bernath, 27.10.2016)