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Tausende Ungarn protestierten gegen das Ende von "Népszabadság", nun könnte sie von Orbán-Getreuen neu gegründet werden.

Foto: AP / Zoltan Balogh

Eine dürre Bekanntmachung auf der Webseite der Budapester Börse brachte am Dienstagabend erstmals Klarheit in die Machinationen rund um die Schließung der regierungskritischen Budapester Tageszeitung "Népszabadság" vor zweieinhalb Wochen. Darin teilte eine Opimus Group AG den "geschätzten Aktionären" mit, dass ihre 100-Prozent-Tochter Opimus Press AG 100 Prozent der Anteile an der Mediaworks Hungary AG erworben habe. Die Kartellbehörde habe der Akquisition schon zugestimmt.

Die Mediaworks gehörte bislang der Vienna Capital Partners (VCP) des österreichischen Investors Heinrich Pecina und ist die Herausgeberin der "Népszabadság". Die Opimus-Gruppe wird wiederum dem ungarischen Oligarchen Lorinc Mészáros zugerechnet (siehe Porträt), einem engen Vertrauten des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán.

Pecina hatte die Schließung mit angeblich hohen Verlusten begründet. Zur Mediaworks gehören auch zwölf Regionalzeitungen mit einer nicht unbeträchtlichen lokalen Meinungsmacht sowie das Blatt "Nemzeti Sport". Sie sind das eigentliche Objekt der Begierde von Orbáns Medienmachern.

Möglicher Neustart

Népszabadság sollte wohl liquidiert werden. Dem scheint allerdings eine Opimus-Verlautbarung vom Dienstagabend zu widersprechen, in der es hieß, dass sich das Unternehmen nach der Akquisition von Mediaworks "zuerst und prioritär mit der Möglichkeit des Neustarts" der Tageszeitung befassen werde. Es dürfte sich freilich um einen kommunikativen Bluff handeln. In den Direktionsrat der frisch erworbenen Mediaworks hievte man etwa Gábor Liszkay, Chef des Regierungssprachrohrs "Magyar Idok".

Entscheidend ist aber, dass der neue Eigentümer die Rechte an der Marke "Népszabadság" besitzt, also theoretisch tatsächlich ein regierungsfreundliches Blatt unter diesem Namen auf den Markt bringen könnte. Darüber hinaus "erbt" die Oligarchen-Firma das Zeitungs- und Bildarchiv der Zeitung – möglicherweise eines der besten im Lande.

"Die ungarische Regierung benutzt Besitzverhältnisse als politisches Werkzeug, um kritische Berichterstattung zum Schweigen zu bringen", hielt der Medien-Watchdog Freedom House am Mittwoch fest. Um sich unabwählbar zu machen, konzentriert Orbán nicht nur die politische, institutionelle und wirtschaftliche Macht in seinen Händen; nachdem das tendenziell repressive Mediengesetz von 2010 seine Erwartungen nicht erfüllt hat, drängt der Autokrat seine Partner auch dazu, einen Teil ihrer Profite in Mediendeals zu stecken.

So bekam der mit einem Kasino-Monopol bedachte ungarisch-amerikanische Filmproduzent Andy Vajna den Privat-TV-Sender TV2 zugespielt. Dessen Nachrichtensendungen stechen seitdem durch Diffamierungskampagnen gegen Orbán-Gegner hervor.

Der Hunger ist noch lange nicht gestillt: Orbáns Partner könnten demnächst die Boulevardzeitung Bors und die auflagenstarken Regionalzeitungen "Kisalföld" (Gyor) und "Délmagyarország" (Szeged) erwerben, prophezeit die Wochenzeitung "Magyar Narancs" in ihrer jüngsten Ausgabe.

Grassierende Korruption

Orbán will auch deshalb die Medienlandschaft aufrollen, weil die grassierende Korruption und die allgegenwärtige Freunderlwirtschaft zur Achillesferse seiner ansonsten stabilen Macht werden könnten. Nach einer Umfrage von Transparency International (TI) glauben 71 Prozent der Ungarn zwischen 18 und 29 Jahren, dass korrupte Personen eher Erfolg im Leben haben als ehrliche. 76 Prozent der Ungarn dieser Altersgruppe sehen es gleichfalls als Korruption an, wenn öffentliche Aufträge an Verwandte und Geschäftspartner der entscheidenden Politiker vergeben werden – oft die Standardpraxis in Ungarn.

Für Orbán ist es ärgerlich, wenn Berichte erscheinen, die etwa die "Ausstaffierung" der Firma seines Schwiegersohns István Tiborcz mit kommunalen Aufträgen oder die über den Schweizer Kanton Zug laufenden dubiosen Gasgeschäfte seines Vertrauten István Garancsi aufspießen. Mit "Népszabadság" ist eine der wirkungsvollsten Plattformen für derartige Enthüllungen verstummt. Und mit Mészáros übernimmt sie einer, der selbst häufig in ihrem Mittelpunkt gestanden hat. (Gregor Mayer, 26.10.2016)