Wien – Das Leben von Heinrich K. hat wahrscheinlich von Beginn an nur eine Richtung gehabt: nach unten. Seinen Vater kennt der 44-Jährige nicht, er ist bei einer Pflegefamilie aufgewachsen, wurde früh drogenabhängig. 17 Vorstrafen hat der Arbeitslose schon gesammelt, vor dem Schöffensenat unter Vorsitz von Georg Olschak geht es darum, wie hoch die nächste ausfällt.

Denn K. bekennt sich der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung schuldig. Gesteht, im Juli einem Bekannten ein Messer in die Brust gerammt und im Mai einer Mitarbeiterin der Hilfseinrichtung Gruft einen Faustschlag versetzt zu haben.

In der Wohnung von Herrn H. wollte sich der Angeklagte, der damals obdachlos gewesen ist, eine Dosensuppe aufwärmen. "Woher kennen Sie Herrn H.?", fragt Olschak. "Aus meiner alten Apotheke, da war er auch im Substitutionsprogramm."

"Er hat dauernd gekeppelt"

Es habe allerdings länger keinen Kontakt mehr gegeben, bis er vor H.s Tür stand. "Ich war in der Küche, er hat dauernd gekeppelt wegen dem Geld", sagt der Angeklagte. Der Kontakt brach nämlich damals ab, weil K. angeblich in der Wohnung randaliert haben und eine Couch zerstört haben soll.

"Dann habe ich mir das Küchenmesser genommen." – "Warum?" – "Weil er dauernd gekeppelt hat. Ich wollte, dass eine Ruhe ist." Später gibt er zu, er wollte H. auch "einen Denkzettel verpassen". Bei der Randale hat der damals nämlich die Polizei gerufen. "Aber das ist ja Jahre her?", wundert sich der Vorsitzende. Antwort erhält er keine.

Laut Opfer hat K. ansatzlos zugestochen. "Fest?", fragt Olschak. "Normal." – "Ich habe noch nie auf jemanden eingestochen, ich weiß nicht, was normal ist." K. demonstriert es, die Wucht hat jedenfalls ausgereicht, um H. zu verletzen. Nur die Tatsache, dass eine Rippe getroffen wurde, hat eine schwere Verletzung verhindert. H., seine Lebensgefährtin und ein Bekannter hielten den Angeklagten in der Wohnung fest, bis die Polizei kam.

Keine Erklärung für Faustschlag

Für den unangekündigten Faustschlag gegen die Gruft-Mitarbeiterin hat er keine wirkliche Erklärung, sagt nur vage, er habe sich ungerecht behandelt gefühlt.

Was erklärbar ist, denn laut dem psychiatrischen Sachverständigen Harald David komme zu K.s Drogensucht auch eine paranoide Schizophrenie. Zu den Tatzeitpunkten sei er aber zurechnungsfähig gewesen, ist der Experte überzeugt.

"Die Prognose ist derzeit leider gar nicht gut", bedauert David. Ambulante Drogentherapien habe der Patient immer wieder abgebrochen. Und die Gefahr, dass er neuerlich aggressiv wird, sei hoch. Statistisch gesehen liege das Risiko, dass er in den nächsten sieben Jahren neuerlich ein Gewaltdelikt verübt, bei 55 Prozent, innerhalb der nächsten zehn Jahre bei 64 Prozent.

Einweisung in Anstalt

Der Senat braucht für die Urteilsfindung nicht lange. Bei einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren entscheidet er sich für sieben Jahre, dazu kommt die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.

Der Angeklagte, der den gesamten Prozess mit hängenden Schultern und starr auf den Boden gerichtetem Blick auf der Anklagebank gesessen ist, zeigt da erstmals eine Regung. "Nehmen wir das an? Nein, oder?", dreht er sich zu seiner Verteidigerin Christa-Maria Scheimpflug um. Sie beraten sich kurz vor der Tür, dann erhebt K. Berufung wegen der Strafhöhe und der Einweisung. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 26.10.2016)