Swoboda: "Wenn Menschen, und besonders die Unzufriedenen, das Gefühl haben, dass ihnen die Klimaziele aufgezwungen werden, dann wird man sie nicht erreichen können."

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Thermische Sanierung eines Wohnhauses in Wien: Die Zukunft des klimagerechten Wohnens liegt laut Experten im kompakten mehrgeschoßigen Wohnbau und nicht im so beliebten Einfamilienhaus.

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Wien – Der Klimawandel stellt die Politik vor ein gewaltiges Problem: Einerseits ist es kein Geheimnis, wie der Prozess gebremst und das Pariser Klimaziel einer durchschnittlichen Erderwärmung von höchstens 1,5 Grad erreicht werden kann – durch weniger CO2-Ausstoß, Energiesparen und Umstellen auf erneuerbare Energien. Aber viel schwieriger ist es, die Menschen davon zu überzeugen, selbst dazu ihren Beitrag zu leisten und es nicht auf andere abzuschieben.

Dieses Dilemma ist Hannes Swoboda, dem langjährigen SPE-Fraktionschef im EU-Parlament und einstigen Planungsstadtrat in Wien, nur zu gut bewusst. Allein auf den guten Willen der Bürger könne man sich nicht verlassen, zitierte Swoboda zum Auftakt des Wohnsymposiums ein Kurt-Tucholsky-Gedicht über die oft widersprüchlichen Wünsche, wenn es ums Wohnen geht. "Es muss Regeln und Gesetze geben, aber Regeln allein werden es nicht richten, wenn die Nutzer nicht die Möglichkeit haben mitzureden. Man muss sie überzeugen, dass das Energiesparen ihnen und der Gesellschaft nutzt. Wenn Menschen, und besonders die Unzufriedenen, das Gefühl haben, dass ihnen die Klimaziele aufgezwungen werden, dann wird man sie nicht erreichen können." Auch die Leistbarkeit spiele beim Erreichen von Klimazielen eine entscheidende Rolle, betonte Swoboda, gerade im sozialen Wohnbau.

Nicht sektoral denken

Swoboda, der sich als Präsident des Architekturzentrums Wien jetzt wieder viel mit Städteplanung beschäftigt, plädierte für einen ganzheitlichen Zugang zum Klimaschutz, der neben der Energieeffizienz im Wohnbau auch den Verkehr, die Raumordnung und die Siedlungsstruktur über Landesgrenzen hinweg berücksichtigt. "In Österreich wird immer sektoral gedacht. Stattdessen muss man diese Politikfelder koordinieren und ein Gesamtbewusstsein schaffen."

So trage etwa mehr Grünraum in der Stadt auch dazu bei, dass "der Drang, am Wochenende hinauszufahren, geringer wird. Auch das hilft dem Klimaschutz", sagte Swoboda. Der Wohnbau müsse sich auch noch stärker als bisher auf unvorhergesehene Ereignisse einstellen können, wie etwa die Flüchtlingswelle des vergangenen Jahres.

Insgesamt sieht Swoboda die Gefahr einer Überregulierung nicht nur durch den Gesetzgeber, sondern auch durch die Gerichte, die schon so manche Lockerung der Gesetze untersagt haben. Swoboda: "Wir brauchen insgesamt mehr Spielräume, damit man auf die Nutzer besser eingehen kann und sie den Sinn des Energiesparens besser verstehen."

Keine einzige Tonne

Der Wohnbau werde seinen Beitrag zum Erreichen der Pariser Klimaziele leisten, betonte Robert Lechner, Geschäftsführer des Österreichischen Ökologie-Instituts. Im Jahr 2050 dürfe Österreich nur noch vier Millionen Tonnen CO2 im Jahr produzieren. "Ich bin überzeugt, dass der Gebäudesektor dann völlig CO2-neutral sein und keine einzige Tonne verursachen wird", sagte er. Aber das erfordere eine entschlossene Politik. Zwar gebe es noch 620.000 Hauptwohnsitze mit Ölheizung, aber diese hätten keine Zukunft, weil sie allein 3,4 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. "Beim Neubau darf kein Ölkesselmehr angeschlossen werden, und bei jedem Ersatz muss eine Alternative her", beschreibt Lechner, Vorstandschef der Österreichischen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (ÖGNB), den einzig gangbaren Weg. Auch die eine Million Gasheizungen, die insgesamt drei Millionen Tonnen CO2 verursachen, müssten verschwinden, weil das Gas in der Industrie gebraucht werde. Und schließlich müsse auch das Einfamilienhaus dem kompakten Mehrgeschoßwohnbau weichen. Dass dies nicht populär ist, weiß Lechner. "Aber es ist leider so, dass man nicht alle Wünsche erfüllen kann."

Für die Architektin Elke Delugan-Meissl liegt die wichtigste Antwort in einer Neugestaltung der Städte, wo durch Nachverdichtung, neue Verkehrslösungen und die Digitalisierung der Energieverbrauch der Bewohner deutlich sinken kann. Dafür werde auch das Know-how der Architekten benötigt, zeigte sich die Trägerin des Österreichischen Staatspreises überzeugt. "Die Architektur muss Innovator sein, und sie muss sich neu erfinden." So dürfe man in Zukunft nicht mehr nur fürs Wohnen oder Arbeiten bauen, sondern benötige vielfach nutzbare Gebäude, die "rigide Normen und Regeln aufbrechen".

Holz oder Beton

Eine der spannendsten neuen technologischen Entwicklungen ist für Delugan-Meissl der Holzbau. "Es ist interessant, dass ein so archaisches Material wie Holz sich als Innovationstreiber erweist", sagte sie. "Es zeigt, dass Innovation kein Mascherl haben darf."

Doch man solle auch die guten Energiewerte von Baustoffen wie Ziegel und Beton nicht vergessen, sagte Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des Fachverbandes Steine-Keramik in der Wirtschaftskammer Österreich. "Über den Lebenszyklus hat kein Baustoff einen Vorteil. Wir stellen uns gerne dieser Herausforderung." (Eric Frey, 25.10.2016)