Gemeinschaft durchs Garteln: Der geplante Wohnbau Erntelaa im 23. Bezirk will das Miteinander der Bewohner durch Urban Gardening stärken.

Visualisierung: M&S-ZT-GmbH
Visualisierung: M&S-ZT-GmbH

Ob das noch was wird mit den Gurken und Zucchini auf dem Dach? Mit der Beerenlese im neunten Stock? Mit den Biotomaten aus dem hauseigenen Gewächshaus samt Ausblick aufs halbe Wien? "Ich bin zuversichtlich, dass das klappen wird", sagt Architekt Christian Seethaler. "Ich gehe davon aus, dass der Verwaltungsgerichtshof im November ein Urteil fällen wird. Geht alles nach Plan, können wir im Frühjahr nächsten Jahres zu bauen beginnen."

Die Rede ist vom geförderten Wohnbau Erntelaa in der Meischelgasse in Wien-Liesing. Längst schon sollte das von M&S Architekten geplante Buwog-Haus mit seinen 190 Miet- und Eigentumswohnungen, mit Kindergarten, Nahversorger und Apotheke in Bau sein. Das ungewöhnliche, teils acht-, teils zehnstöckige Hochhaus mit begrünter Fassade, Fotovoltaikanlage und Urban Gardening auf dem Dach sollte so etwas wie das Zugpferd für die nun folgende, zweite Ausbauphase des Stadtentwicklungsgebiets "In der Wiesn" sein. Doch dann kam die Bürgerinitiative und machte dem Bauträger einen Strich durch die Rechnung.

Landwirtschaftliche Ursprünge

Seit bereits zehn Jahren wird die große Grünfläche entlang der U-Bahn-Linie 6 von diversen gemeinnützigen Wohnbauträgern intensiv bebaut. Mit den nächsten 3.000 Wohnungen, die hier in den kommenden Jahren entstehen sollen, will man an die landwirtschaftlichen Ursprünge des 23. Wiener Gemeindebezirks anknüpfen und den Trend des Urban Gardenings ein für allemal sozial wohnbautauglich machen. Die Idee dahinter lautet, die Bewohnerinnen und Bewohner zum Garteln zu animieren.

"Wir möchten das Miteinander der Bewohner stärken, und hier ist Urban Gardening das ideale Konzept, um Gemeinschaft entstehen zu lassen", sagt Andreas Holler, Geschäftsführer der Buwog, auf Anfrage des STANDARD. "Indem wir das Projekt auch nach der Schlüsselübergabe moderieren und von der Caritas in Form eines Quartiersmanagements betreuen lassen werden, sehe ich Erntelaa als Startschuss für noch größere Urban-Gardening-Projekte und letztendlich auch für die Zukunft des Wohnens in Wien. Wir wollen damit ein Statement setzen."

Gewächshäuser, die heizen

Hochbeete und diverse Gewächshäuser sollen Anbau und Ernte ergonomisch und vor allem ganzjahrestauglich machen. Grünflächen und ein paar eingesetzte Bäume, die in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsarchitekten Hannes Batik und der City Farm Schönbrunn geplant wurden, sollen etwas Flair auf den vielleicht ungewöhnlichsten Acker Wiens bringen.

"Bei den Gewächshäusern handelt es sich um industriell gefertigte Fertighäuser eines Südtiroler Unternehmens", sagt Architekt Seethaler. "Um sie gegen die Windkräfte hier oben zu schützen, werden wir die Glashäuser auf entsprechende Streifenfundamente stellen."

Zudem dienen die Autarkie fördernden Gewächshäuser auf dem Dach als Wärmelieferant. Über spezielle Wärmetauscher soll der überschüssige Wärmeeintrag den Allgemeinflächen zugeführt werden und beispielsweise die Gemeinschaftsräume beheizen. Die Idee ist, so Seethaler, ein Zusammenspiel der Vorzüge zu schaffen. "Nachhaltigkeit ist niemals nur eine singulär betrachtete Sache, sondern immer auch die Kombination und die Nutzung der Synergieeffekte."

Meisen, Mauersegler, Hausrotschwänze

Dazu zählt auch die Fassadengestaltung. Jede der 190 Wohnungen, die zwischen 50 und knapp über 100 Quadratmeter messen, verfügt über einen eigenen Freiraum an der Südfassade. Das in Stahlbeton angebrachte Loggienregal wird auch dazu verwendet, die dahinterliegenden Wohnräume im Sommer zu verschatten. So könne die Innenraumtemperatur reduziert werden. Die Bepflanzung der Nordfassade wiederum solle Sauerstoff liefern, das Mikroklima optimieren und Meisen, Mauerseglern und Hausrotschwänzen als Brutstätte dienen.

Nicht zuletzt könnte Erntelaa auch ein sozialer Ausgleich zwischen Jung und Alt, zwischen Arm und Reich, zwischen Mieter und Eigentümer sein. Der Wiener Harry Glück baute in seiner Wohnhausanlage Alterlaa Swimmingpools auf dem Dach und bezeichnete diese als bandstiftende Situation, denn in Badehose, so Glück, seien alle Menschen gleich. "So ähnlich sehen wir das auch", meint Architekt Christian Seethaler. "Wir sagen: Mit der Gartenkralle und Gurke in der Hand kommuniziert sich's auch leichter." (Wojciech Czaja, 25.10.2016)