Noch regnet es in Sachen Ceta. Wann Paul Magnette, der Premier der Region Wallonie, die Ceta-Blockade aufgibt, ist offen.

Foto: apa/Jacques Demarthon

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: REUTERS/Yves Herman

Brüssel – Die Chancen auf einen Abschluss des Handesabkommens Ceta zwischen der EU und Kanada haben sich am Freitag verschlechtert. Nachdem Belgien wegen des Einspruchs der Provinz Wallonie keine Zustimmung gegeben hatte, verhandelten Wallonen und Kanada. Doch auch diese Gespräche sind am Freitagnachmittag geplatzt. Für Kanadas Handesministerin Chrystia Freeland ist "offensichtlich, dass die Europäische Union derzeit nicht in der Lage ist, ein internationales Abkommen zu schließen." Sie reiste ab.

Es passiert nicht oft, dass das malerische belgische Städtchen Namur in den Ardennen der rund fünfzig Kilometer entfernten EU-Hauptstadt Brüssel von der Bedeutung her den Rang abläuft. Am Freitag kurz vor Mittag geschah es.

Die Staats- und Regierungschefs der Union waren bei ihrem Gipfeltreffen gerade dabei, über Außenhandelsfragen wie etwa das dringende Problem von Dumpingpreisen bei chinesischem Stahl und das US-Abkommen TTIP zu beraten, als das staatliche belgische Fernsehen live ins Regionalparlament von Arlon, der Hauptstadt der Wallonie, umschaltete.

Dort hatte Premierminister Paul Magnette, der durch sein Veto bei der belgischen Zentralregierung den Abschluss des Freihandels- und Investitionsabkommens zwischen EU und Kanada (Ceta) seit Tagen blockiert hatte, seinen großen Auftritt. Der Sozialist informierte die Abgeordneten darüber, was er in der Nacht davor mit dem belgischen Premier Charles Michel, der kanadischen Handelsministerin oder dem Kommissionspräsidenten an Bedingungen für eine Zustimmung ausgehandelte.

Einen ersten Vorschlag, der eine Absicherung der wallonischen Rinderbauern ebenso enthielt wie rechtsverbindliche Erklärungen zu Umwelt- und Sozialregelungen hatte er noch abgelehnt. Man sei nicht bereit, "die Katze im Sack zu kaufen". Auch wenn der Zeitrahmen eng sei, mögen die Abgeordneten in Ruhe die vorliegenden Papiere studieren, bevor sie zu einer Entscheidung kämen, so Magnette.

Für die Staats- und Regierungschefs, die nach Namur schauten, war dies ein klares Signal, dass sie ihren Gipfel ohne Erfolg bei Ceta abschließen würden. Sie sind zur Untätigkeit verdammt, bevor es zu einer Einigung auf der innerbelgischen Ebene kommt.

Damit ist offen, ob der EU-Kanada-Gipfel zur feierlichen Verabschiedung von Ceta in einer Woche in Brüssel mit Premier Justin Trudeau stattfinden kann. Ein Signal der Stärke sandte die Union damit nicht an die Welt. Kommissionschef Jean-Claude Juncker zeigte sich dennoch optimistisch, dass die Wallonen "in den nächsten Tagen" einlenken. Ratspräsident Donald Tusk äußerte aber "Bedenken". Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) sagte, er glaube, dass man bis Montag fertig sein werde, schloss aber ein Scheitern nicht ganz aus.

Anti-Ceta-Initiativen, von Global 2000 über Greenpeace bis hin zu den europäischen Grünen, die am Rande des Gipfels demonstrativ gegen das Kanada-Abkommen auftraten, jubelten bereits ("Merci, Wallonie!"), dass Ceta "tot" sei, Magnette und die Wallonen es zu Fall bringen würden. Dieser sei, anders als Kern, "nicht umgefallen", ätzte der grüne Abgeordnete Michel Reimon.

Einigung bei Visafragen

Dabei hatte es in der Früh noch so ausgesehen, dass die Gruppe der EU-Staaten mit Bedenken gegen eine Unterschrift zu Ceta ganz wegschmelzen werde; dass der EU-Gipfel bereits eine Einigung verkünden werde. Deutschland hatte sich durch die Einarbeitung der Bedingungen des Bundesverfassungsgerichts in eine Zusatzerklärung bereits einverstanden erklärt, ebenso die Niederlande, Ungarn und Österreich.

Freitagfrüh zogen dann auch Rumänien und Bulgarien ihr Veto zurück. Die Regierungen dieser Länder wollten im Tausch für die Unterschrift von Kanada die Zusage der Visafreiheit für Rumänen und Bulgaren. Dies wurde ihnen in Form eines Stufenplans zugesagt. Bis Ende 2017 sollen die Staatsbürger ohne Sichtvermerk in Kanada einreisen können.

Bleibt also nur noch Belgien. Die Föderalregierung wurde Ceta gerne abschließen, ihr sind aber die Hände durch die drei Regionalregierungen und drei Sprachgemeinschaften gebunden.

Als größter Stolperstein gelten die im Kanadavertrag vorgesehenen Investitionsgerichte, gegen die es rechtsstaatliche Bedenken gibt. Da Ceta ab Anfang 2017 nur vorläufig angewendet werden soll, bliebe im Zuge der Ratifizierung in den nationalen Parlamenten viel Zeit, Regelungen im Detail auszuarbeiten und Ceta eventuell aufzukündigen, erklärte Kern. (Thomas Mayer aus Brüssel, 22.10.2016)