Brüssel/Damaskus – Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zum Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel betont, dass sie eine schärfere Formulierung zu möglichen Maßnahmen auch gegen Russland im Syrien-Konflikt vorgezogen hätte. Sie hätte sich mit der ursprünglichen Fassung der Gipfel-Beschlüsse in diesem Punkt "sehr gut anfreunden" können, sagte Merkel am Freitag.

Die 28 Staats- und Regierungschefs hatten sich nicht auf eine Drohung mit "restriktiven Maßnahmen" einigen können, die Wortwahl wurde abgemildert.

Merkel wollte nichts dazu sagen, auf wessen Betreiben die Formulierung abgeschwächt wurde. Man werde aber wenn nötig auch wieder auf Sanktionen zurückkommen, sagte sie. "Um der Menschen Willen wäre es mir Recht, wir würden einen dauerhaften Waffenstillstand bekommen und würden dann auch Hilfsmaßnahmen ergreifen können."

Es wäre falsch zu sagen, dass sie die Geduld mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verliere, sagte die Kanzlerin. "Politische Probleme löst man nur mit Geduld." Aber das, was sich in Aleppo abspiele, sei unmenschlich und etwas, "wofür man sehr schwer Worte findet.

"Kurs halten"

EU-Ratspräsident Donald Tusk warnte, "Russlands Strategie ist es, die EU zu schwächen". "Wir haben vereinbart, dass wir Kurs halten und gegenüber Russland unsere Einigkeit bewahren", sagte Tusk. Bundeskanzler Christian Kern sagte, man müsse die Verantwortung Russlands einmahnen. Sanktionen habe beim EU-Gipfel aber niemand gefordert.

Die Regierungschefs seien besorgt über russische Feindseligkeiten, die von Luftraumverletzungen, Desinformationskampagnen, Cyberattacken bis hin zur Einmischung in den politischen Prozess in der EU und darüber hinaus reichten, fasste EU-Ratspräsident Tusk die Debatte zusammen. Frankreichs Präsident François Hollande warnte, dass Sanktionen zunächst die syrischen Verantwortlichen treffen würden. "Sollte Russland die Bombardements fortsetzen, muss es sich ebenfalls auf Antworten der EU einstellen, aber da sind wir noch nicht."

Treffen mit Putin

Merkel und Hollande hatten ihren EU-Kollegen zuvor über ihr Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Berlin berichtet. In der Nacht auf Donnerstag hatten sie im Kanzleramt fast eineinhalb Stunden mit Putin über die Lage in Syrien gesprochen und ihn nach Angaben von Hollande gedrängt, "seine Hausaufgaben" in Syrien zu machen. Merkel hatte vor Gipfelbeginn das einseitige Angebot der russischen und der syrischen Regierung zu einer stundenweisen Waffenruhe in Aleppo abgelehnt. Es sei ein dauerhafter Waffenstillstand nötig, sagte sie.

Auch andere EU-Regierungschefs äußerten sich sehr kritisch. Der estnische Ministerpräsident Taavi Roivas warf der syrischen Regierung und Russland vor, sie wollten Aleppo zu einem neuen Grosny machen. Im Tschetschenienkrieg hatte die russische Armee diese Stadt fast völlig zerstört.

Die syrischen und russischen Luftangriffe auf Aleppo haben international Entsetzen und Empörung ausgelöst. Nach Angaben von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon wurden seit Beginn der Offensive auf die nordsyrische Stadt fast 500 Menschen getötet und rund 2000 verletzt. Seit Anfang Juli habe kein Hilfskonvoi der UNO mehr die Stadt erreicht, Essensrationen würden bis Ende des Monats ausgehen, warnte Ban am Donnerstag vor der UNO-Generalversammlung.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf unterdessen den Rebellen in Aleppo vor, Zivilisten an der Flucht aus der umkämpften syrischen Stadt zu hindern. Die Rebellen hätten gegen die Feuerpause verstoßen "und die Evakuierung der Bevölkerung verhindert", sagte Lawrow nach Angaben seines Ministeriums am Donnerstag in einem Telefonat mit seinem US-Kollegen John Kerry. Moskau hatte zur Wochenbeginn eine eintägige Waffenruhe verkündet, die am Donnerstag in der Früh in Kraft trat. Laut Verteidigungsminister Sergej Schoigu wurde diese Pause um 24 Stunden ausgeweitet. (APA, 21.10.2016)