Diese Leute leben zwischen Christen und Mohammedanern, und weil sie nicht in Kontroversen geschult sind, erklären sie, dass es für sie völlig unmöglich ist, zu urteilen, welche Religion die beste sei. Doch um sicherzugehen, dass sie die Wahrheit nicht völlig zurückweisen, folgen sie sehr umsichtig beiden und gehen freitags zur Moschee und am Sonntag zur Kirche", berichtete Lady Mary Wortley Montagu zu Beginn des 18. Jahrhunderts über die Albaner.

Auf das osmanische Europa zu blicken ist auch angesichts der aufgeregten Islamdebatte heute sinnvoll. Die osmanische Herrschaft schuf für die verschiedenen Religionsgruppen in Südosteuropa neue Bedingungen. Für den orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel brachte sie sogar einen Machtzugewinn, wie Stefan Rohdewald in dem Buch Das osmanische Europa schreibt. Denn er konnte sich "als normgebende Instanz" im Sinne einer osmanischen Landeskirche ein Monopol in der Orthodoxie schaffen. In vorosmanischer Zeit standen die Patriarchate noch in Konkurrenz zueinander. Nichtmuslime bekamen Gerichte für innerkommunale Rechtsstreitigkeiten. Der orthodoxe Klerus gewann an Einfluss.

Doch Christen und Juden wandten sich auch an muslimische Gerichte. So wurden etwa Ehen zwischen Christen häufiger vor dem Kadi als vor bischöflichen Gerichten geschlossen, "offenbar wegen der geringeren Gebühren und der unkomplizierten Abwicklung bei zweiten und dritten Eheschlüssen". Auch Scheidungen waren im islamischen Recht leichter möglich. Man nahm noch weitere Anleihen am Islam. Orthodoxe Mönche trugen etwa nach ihrer Rückkehr von der Wallfahrt nach Jerusalem den Titel "Hajji", analog zu den Mekka-Pilgern.

Bis heute sind in der Erinnerungstradierung die "Konvertierungsdiskurse" auf beiden Seiten – für Christen und Muslime – wirksam und zudem ähnlich. Die Autoren plädieren insgesamt dafür, das "Narrativ von einem starren abendländisch-osmanischen Antagonismus" zu dekonstruieren. (Adelheid Wölfl, 20.10.2016)