Zagreb/Sarajevo – Er will es wie Merkel machen. Andrej Plenković führt seine Partei gerade schnurstracks in die Mitte. Am Mittwochabend wurden der neue kroatische Premier und sein Kabinett von 91 der 151 Parlamentarier gewählt. Neben der konservativen HDZ und der Partei Most unterstützen auch alle acht Minderheitenvertreter die Koalition. Die neue Regierung hat damit eine relativ stabile Mehrheit im Sabor, dem kroatischen Parlament. Die Partei Most stellt insgesamt vier Minister.

Was sofort auffällt: Der rechte Parteiflügel der HDZ wurde ziemlich ausgebremst. Plenković hat sogar die Parteirebellin Martina Dalić als Vizepremierministerin und Wirtschaftsministerin angeheuert. Dalić gilt als Schwergewicht, sie hat im Jahr 2014 aus Protest die eigene Partei verlassen, weil sie zum Schluss gekommen war, dass die HDZ keine wirtschaftspolitischen Rezepte verfolge, um aus der schweren Krise herauszukommen. Nun will sie offenbar selbst für solche sorgen.

Wachstum oberstes Ziel

Ziel Nummer eins ist, das Wachstum anzukurbeln. Neben Dalić sitzen weitere drei Ökonomen in der neuen Regierung – Finanzminister Zdravko Marić hatte dasselbe Amt bereits in der ersten Koalition zwischen HDZ und der Reformpartei Most inne, die im Sommer zerbrochen ist. Neben ihm gilt auch der neue Arbeitsminister Tomislav Ćorić, ein Ökonom von der Universität in Zagreb, als Experte.

Die dringlichste Aufgabe der neuen Regierung wird es sein, das Budgetdefizit zu verringern. Seit Kroatien 2013 der EU beitrat, läuft bereits ein EU-Defizitverfahren gegen den mitteleuropäischen Staat. Die Vorgängerregierungen haben aber kaum Strukturreformen unternommen – insbesondere die Verwaltung in Kroatien gilt als ineffizient und von Parteiinteressen unterlaufen. Ziel von Plenković ist es zunächst einmal, die Kreditraten für Kroatien durch eine Umstrukturierung der Schulden zu verbessern und Investoren ins Land zu bringen. Die Auslandsschulden liegen derzeit bei 50 Milliarden Euro und damit bei 86 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Migranten und Nachbarn

Gesellschaft und Wirtschaft hätten tiefe strukturelle Probleme, meinte Plenković in seiner Rede vor dem Parlament am Mittwoch. Er versprach, mit allen Teilen der Gesellschaft, mit NGOs, Unternehmern und Gewerkschaften zusammenzuarbeiten. "Wir werden eine Regierung sein, die zuhört." Er kündigte Reformen im Bildungs- und Sozialbereich, aber auch im Steuersystem an. Der neue Premier will auch die Migration nach Kroatien verringern – zurzeit werden vor allem aus Österreich nach den Dublin-Regeln Migranten nach Kroatien zurückgeschickt. Dezidiert erwähnte Plenković auch, dass Kroatien sich für eine europäische Zukunft des Nachbarlandes Bosnien-Herzegowina einsetzen werde.

Die zweite Großbaustelle neben der schlechten Wirtschaftslage, die Plenković geerbt hat, ist tatsächlich das Verhältnis zu den Nachbarstaaten. Die letzte Regierung mit Außenminister Miro Kovač blockierte sogar die EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien. Doch Kovač ist nun weg, sein Nachfolger Davor Stier saß so wie Plenković in den letzten Jahren im Europaparlament. Unter Diplomaten hat er einen guten Ruf, erwartet wird nun eine Neuausrichtung der Außenpolitik, also eine pragmatische, höfliche, aber zurückhaltende Haltung gegenüber Serbien und ein Ende des rabiaten Nationalismus. Der rechte Flügel in der Partei ist deshalb bereits erbost. Als Kovač vergangene Woche erfuhr, dass Stier nun seinen Job übernehmen werde, meinte er, er habe "noch selten so einen Unsinn" gesehen.

"Antikroatischer Film" und nationale Identität

Auch die Tatsache, dass Plenković trotz heftiger Diskussionen Kulturministerin Nina Obuljen Koržinek durchsetzte, sorgte beim rechten Flügel für Aufruhr. Koržinek wurde von Veteranenverbänden vorgeworfen, sie sei zu wenig patriotisch, weil sie in ihrer früheren Funktion im Staatsfernsehen einen "antikroatischen Film" habe fördern lassen. Bis jetzt hat Plenković aber Entscheidungshoheit und Autorität gezeigt. Will er längerfristig den neuen Kurs der Mitte behalten, muss er die HDZ allerdings reformieren, und dies wird noch zu einigen Machtkämpfen in der Partei führen.

Die Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner dürfte ihm da weniger Schwierigkeiten bereiten. Zu Most-Chef Božo Petrov, der nun neuer Parlamentspräsident ist, hat Plenković ein gutes Verhältnis aufgebaut. Unterschiedliche Auffassungen gibt es allerdings, was die Lösung des Streits zwischen dem kroatischen Erdölunternehmen Ina und der ungarischen Mol betrifft. Die Most ist strikt gegen den Verkauf von weiteren Anteilen an die Ina, und auch in der Bevölkerung wird die Ina als Teil der nationalen Identität gesehen.

Österreichische Banken

Offen ist auch noch, wie der Konflikt mit den österreichischen Banken weitergeht. Die Unicredit Bank Austria und ihre kroatische Tochter, die Zagrebačka banka, haben kürzlich den kroatischen Staat geklagt. Die Regierung hatte im Vorjahr beschlossen, dass Frankenkredite in Kuna konvertiert werden können – und zwar zu jenem Kurs, der bei Abschluss des Darlehens galt. Die Kosten tragen die Banken. Viele Kroaten waren in den vergangenen Jahren wegen der hohen Zinsen für die Frankenkredite in schwere ökonomische und soziale Probleme geraten.

Die Sozialdemokraten, die am 11. September eine schwere Niederlage einstecken mussten, stecken indes noch immer in der Krise. Im November soll ein Nachfolger von Ex-SDP-Chef Zoran Milanović gewählt werden – es gibt acht Kandidaten. (Adelheid Wölfl, 20.10.2016)