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Phil Chess (re.) mit seinem Bruder Leonard und dessen Sohn Marshall.

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Wien – Sieben Jahre war Fiszel Czyż, als sein Vater ihn und den Rest seiner Familie aus einem polnischen Schtetl nach Chicago nachholte. Die Einwanderungsbehörde änderte seinen Namen in Philip Chess, den seines Bruders Lejzor in Leonard Chess. Nach dem Krieg sollten die Brüder über Umwege das Label Chess Records gründen. 1950 war das, und ein Jahr später veröffentlichten sie ein Lied von Ike Turner, das der in Memphis bei Sun Records aufgenommen hatte: Rocket 88 – es gilt als erster Rock-’n’-Roll-Song der Geschichte. In den nächsten Jahren machten Phil und Leonard Chess ihr Label zum wichtigsten Hort des Chicago Blues.

Leonard Chess war starb 1969, nun ist sein Bruder Phil gestorben. Zwar stand der am 27. März 1921 geborene Phil als ruhigerer und jüngerer Bruder etwas im Schatten Leonards, die meisten Entscheidungen, geschäftliche wie künstlerische, trafen sie gemeinsam. Ihr Verhältnis beschrieben Zeitzeugen als symbiotisch, oft soll ein Blick zwischen ihnen genügt haben, um eine Sache zu besiegeln.

Chess Records veröffentlichte Platten von Muddy Waters, Chuck Berry, Willie Dixon, Etta James, Koko Taylor oder Howlin’ Wolf und dutzenden Musikern mehr. Es war eines der wich tigsten Independent-Labels seiner Zeit.

Wiewohl die Chess-Brüder des Geschäfts wegen in die Musikbranche stießen – oft verstanden sie kein Wort, von dem, was ihre Stars sangen – bildeten sie eine der wichtigsten kulturhistorischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts ab. Mit Bauchentscheidungen und Handschlagqualität. Das machte sie erfolgreich, das schlug weltweit Wellen. Ohne die zeitlose Qualität der Chess-Platten wären Keith Richards und Mick Jagger wohl Autoverkäufer oder Vertreter geworden.

Der Name Rolling Stones beleiht einen Muddy-Waters-Song, den Chess Records 1950 veröffentlicht hat. Zweimal wurde die Geschichte des Labels verfilmt, Cadillac Records – befremdlicherweise ohne Phil darin abzubilden – und Who Do You Love. 1968 verkauften die Brüder das Label, 1975 schloss es, heute gehört sein Output zum Katalog von Universal Music.

Phil Chess setzte sich in den frühen 1970ern zur Ruhe, nun ist er im Alter von 95 Jahren in Arizona gestorben. (Karl Fluch, 20.10.2016)