Wien – Im Forschungsprogramm "Horizon 2020" hat die EU "Verantwortungsvolle Forschung und Innovation" verankert und zielt damit auf eine neue Beziehung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ab. An der Universität Wien widmet sich eine neue Forschungsplattform nun der Frage, was denn überhaupt die Bedingungen für verantwortliches Handeln sind und wie dieses in der Praxis umgesetzt werden kann.

Auftakt

Mit dem Konzept "Verantwortungsvolle Forschung und Innovation" (Responsible Research and Innovation, RRI) soll Forschung stärker in Einklang mit Werten und Anliegen der Gesellschaft gebracht werden. "Wir wollen uns quasi von innen mit der Frage auseinandersetzen, was die Forscher eigentlich unter verantwortungsvoller Forschung verstehen und wie das mit den im politischen Raum zirkulierenden Vorstellungen darüber zusammenpasst", erklärte die Wissenschaftsforscherin Ulrike Felt.

Gemeinsam mit der Molekularbiologin Renee Schroeder und dem Ökologen Andreas Richter leitet Felt die neue Forschungsplattform, die Mittwoch Abend mit einem Vortrag von James Wilsdon von der University of Sheffield eröffnet wurde.

Gesichtspunkte

Für Felt stellt sich die Frage, wie man dieses Konzept einer RRI "in ein Wissenschaftssystem hineinbringt, das derzeit sehr stark nach relativ vorgegebenen engen Kriterien evaluiert wird" bzw. wie man die Vorstellung von Exzellenz mit den Erwartungen an die Wissenschaft zusammenbringe, sich in Richtung Gesellschaft aufzumachen und sich mit gesellschaftlichen Werten und Vorstellungen auseinanderzusetzen.

Richter verweist auf den "Druck auf Wissenschafter, gesellschaftsrelevante Forschung zu betreiben, was natürlich durchaus die Freiheit der Wissenschaft zum Teil einschränkt". Auf der anderen Seite werde erwartet, dass man immer nur Innovatives und Neues mache – und diese beiden Erwartungen würden einander oft ausschließen.

"Ich sehe die Verantwortung eines Wissenschafters gegenüber der Gesellschaft nicht darin, dass er gesellschaftlich relevante Dinge erforscht. Ich glaube die Verantwortung des Forschers ist es, Neuland zu betreten – im weiteren Sinn", sagte Richter. Natürlich gebe es eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, diese werde aber oft auf das Kommunizieren reduziert. "Ich sehe sie anders, nämlich dass wir uns trauen, den Mund aufzumachen, wenn wir Dinge sehen, von denen wir glauben, dass wir sie aus unserem Wissen heraus sagen müssen", so der Ökologe.

Reflexion

In der Forschungsplattform wolle man sich die verschiedenen oft kleinen Momente in der Forschung ansehen, in denen Entscheidungen getroffen werden und wie diese mit der Frage nach einer größeren gesellschaftlichen Verantwortung zusammenhängen, sagte Felt. Dabei gehe es primär darum, einen Reflexionsprozess in Gang zu setzen, "denn das kann man nicht normativ lösen, man kann nicht sagen, wenn man sich so und so verhält, dann ist es verantwortlich". Man wolle auch darüber nachdenken, "wie wir das überhaupt erfüllen können in den Institutionen. Passen die Arbeits- und Rahmenbedingungen oder wo spießt es sich und wie können wir das vielleicht in die Ausbildung integrieren"?

"Wenn wir der Wissenschaft und der Technik einen so zentralen Platz in unserer Gesellschaft geben, dann müssen wir erwarten können, dass sie sich auch damit auseinandersetzt, was das bedeutet", sagte Felt. Die Wissenschafter würden diesen zentralen Platz durchaus wollen, "wir wollen in der Gesellschaft eine Rolle spielen, wir wollen, dass sie uns Aufmerksamkeit gibt, wir wollen, dass sie uns Geld gibt, um die Forschung zu machen".

Das bedeute aber nicht, berechenbar verantwortlich im Sinne einer "buchhalterischen Verantwortungsführung" zu sein. Vielmehr gehe es darum, die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft bis zu einem gewissen Grad zu suchen und bereit zu sein, auf komplexe Situationen auch unfertige Antworten zu geben, "weil die Wissenschaft hat nicht immer fertige Antworten". (APA, 20. 10. 2016)