"Nepszabadsag" publiziert in einer Obdachlosenzeitung.

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Die Einstellung der ungarischen Zeitung Nepszabadsag sorgte für Proteste.

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Budapest – Die eingestellte ungarische Oppositionszeitung "Nepszabadsag" veröffentlicht eine gemeinsame Ausgabe mit der Obdachlosenzeitung "Fedel Nelkül" am Donnerstag. Zwölf Seiten würde die Redaktion des Obdachlosenblattes, zwölf Seiten "Nepszabadsag" beisteuern, sagt Vizechefredakteur Marton Gergely im APA-Gespräch. Bei der Publikation werde es sich um eine Art "Traueranzeige" handeln.

Obwohl sich "Nepszabadsag" noch im Eigentum des sich in österreichischer Hand befindlichen Verlegers Mediaworks befindet, könne der Verlag nichts gegen die Kooperation der Redaktion mit "Fedel Nelkül" unternehmen, erklärte er. "Alles ist legal, weil uns nur untersagt wird, für gewinnbringende Publikationen zu arbeiten." Die Obdachlosenzeitung werde von einer Stiftung herausgegeben, die keinen Gewinn verzeichnet. Die Mitarbeiter von "Nepszabadsag" sind offiziell weiterhin Angestellte von Mediaworks und dürfen daher nicht in anderen kommerziellen Medien publizieren.

Hoffen auf Neustart

"Fedel Nelkül" (Ohne Obdach) habe Mut gezeigt und nur eine Sekunde nachgedacht. "Wir werden in der Ausgabe nicht angreifen, keine Geschichten aufdecken, sondern nachdenken über unsere Schicksalsgemeinschaft, denn die Zeitung heißt 'ohne Obdach', und auch wir sind ohne Obdach." Gergely sprach von den bevorstehenden Aufgaben, wie der Nachlass von "Nepszabadsag" verwaltet werden, der überwiegende Teil der Mitarbeiter zusammengehalten werden kann.

Auch hofft er auf einen Neustart. "Sicher nicht unter dem Namen 'Nepszabadsag' (Volksfreiheit, Anm.). Aber wir hoffen, dass wir Gelegenheit erhalten, die Geschichten, deren Veröffentlichung jetzt unterbunden wurde, der Öffentlichkeit noch präsentieren zu können."

Imageschaden

"Nepszabadsag" war das "Kronjuwel" der Firma Mediaworks, betonte Gergely und erinnerte weiter an "die Lüge, dass wir aus wirtschaftlichen Gründen schließen mussten". Der Eigentümer von Mediaworks, der österreichische Investor Heinrich Pecina, habe "mit unserer Schließung hohe Summen verloren".

Dabei sei der ganze Imageschaden noch nicht einberechnet. "Wer heute Pecina googelt, der wird sehen, dass sein Name in den Panama-Papers auftaucht, welche Verfahren gegen ihn an diversen Gerichten laufen, was er mit 'Nepszabadsag' angestellt hat." Gergely und mehrere "Nepszabadsag"-Mitarbeiter hatten in der Vorwoche in Wien versucht, Pecina zu treffen, was ihnen jedoch nicht gelang.

Medien in Oligarchenhand

Gergely erinnert daran, dass die Regierung des ungarischen Premiers Viktor Orban im Jahr 2010 versucht hatte, ihren Willen mittels des neuen Mediengesetzes durchzusetzen. "Mit diesem Gesetz hat sie dann aber Probleme bekommen, da die EU-Kommission dieses teilweise entkernen konnte." Orban habe sich deswegen wohl für einen Strategiewechsel entschieden. "Wenn wir die Medien nicht mittels Gesetz gefügig machen können, dann müssen wir die Eigentumsverhältnisse ändern."

Seitdem seien in "furchterregender Geschwindigkeit" ungarische Medienunternehmen, die kapitalstarken ausländischen Verlagshäusern und Mediengruppen gehörten, in ungarische Oligarchenhand gelangt, wie zuletzt das Nachrichtenportal "Origo" oder der Privatsender TV2.

Drohung an freie Redaktionen

"Wenn Redaktionen wirtschaftlich abhängig gemacht wurden, dann wurden unabhängige, freie Journalisten durch regimetreue Journalisten ersetzt." Mit der Einstellung von "Nepszabadsag" habe die Regierung Orban eine "rote Linie" überschritten. Hier sei nicht der Chefredakteur abgesetzt worden, sondern die größte politische Tageszeitung des Landes sei zugesperrt worden, kritisierte Gergely.

Mit solcher Brutalität sei die Regierung bisher noch niemals vorgegangen. Kollegen, die in "noch freien" Redaktionen arbeiteten, verstünden das als eine Drohung, auch an sie. "Wenn diese Regierung sich nicht scheut, so brutal vorzugehen, dann könnten alle von einem auf den anderen Tag an der Reihe sein. Es ist zum Weinen." (APA, 20.10.2016)