So hat er's gern, der Verteidigungsminister: Hans Peter Doskozil am Gipfel, im Hintergrund ein gut gerüstetes Heeres-Jägerbataillon.

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Es war tatsächlich ein spannender Themenabend, an dem sich der ORF da beteiligte. Erst "Terror – ihr Urteil", die Verfilmung von Ferdinand von Schirachs Justizdrama über einen Luftwaffenpiloten, der befehlswidrig ein von Terroristen gekapertes Passagierflugzeug abschießt, um tausende Menschen in einem Stadion zu retten. Dann die Abstimmung der TV-Zuseher (mit krasser Mehrheit für "nicht schuldig" – wer hätte dem Dackelblick und der skrupulösen Korrektheit von Florian David Fitz widerstehen können ...), danach eine interessante Debatte mit Experten unter der Leitung von Peter Resetarits.

Erhellend war die Diskussion auch insofern, als klargestellt wurde, dass im Zweifel ein österreichischer Kampfpilot eine solch folgenschwere Entscheidung alleine treffen müsste. Karl Gruber, Chef der österreichischen Bundesheer-Luftwaffen, stellte das Dilemma, vor das Piloten bei einem solchen (bis dato zum Glück nur hypothetischen) Inlandseinsatz gestellt werden, einleuchtend dar.

Immer mehr Kompetenzen

Zusätzlich nutzte er die Gelegenheit geschickt, um zu trommeln, wofür auch sein Chef, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, die Werbetrommel rührt: Das Bundesheer brauche mehr Kompetenzen, gerade im Hinblick auf mögliche Terrorfälle wie den von Schirach beschriebenen.

Das ist allerdings überhaupt nicht einsichtig, denn Gruber erklärte auch: Schon jetzt kann jederzeit ein Krisenstab mit Innen- und Verteidigungsminister an der Spitze entscheiden, ob das Bundesheer in bestimmten Akutsituationen in Fragen der inneren Sicherheit tätig werden kann. Das funktionierte während der Fußball-Europameisterschaft gut, das kann auch weiter gut funktionieren – dafür braucht es nicht zusätzliche Kompetenzen, die die Aufgabenteilung der Exekutive aushebeln.

Crowd and Riot

Doskozil will freilich das Bundesheer in eine Art "schwere Polizei" umbauen. Er träumt etwa von "Schutzausrüstung und Gruppenfahrzeugen für Crowd-and-Riot-Control-Einsätze" sowie von infanteristischen Kampftruppen für Assistenzen im Inland und Missionen im Ausland, wie es in einem Generalstabspapier an das Parlament heißt. Ferner soll der Schutz von rund 190 kritischen Objekten bei hoher Gefahrenlage gleich als Kompetenz des Bundesheers in der Verfassung festgeschrieben werden, ebenso eine "automatische militärische Abwehr von Gefahren aus der Luft" – wofür es eine Zweidrittelmehrheit im Parlament braucht. Die verstärkte Zusammenarbeit der Geheimdienste, bereits koalitionär vereinbart, ist da nur mehr ein Nebenaspekt.

Doskozil ist ein machtbewusster Minister, und er versteht, obwohl relativ neu in der Bundespolitik, etwas vom tagespolitischen Handwerk. Dieses funktioniert relativ simpel: Bekommt dein Spiegelminister mehr Geld (in dem Fall der Innenminister wegen "der Flüchtlinge"), sorge dafür, dass auch du selbst mehr Mittel bekommst. Das ist Doskozil gelungen, indem er an das Flüchtlings- noch das Terrorthema hängte nach dem Motto: "Ohne uns das Chaos, Tod und Verderben." Das wirkte – und in Ermangelung eines Außenfeindes wandte sich der Heereschef folgerichtig dem Inland zu, um diese Mittel nun auch zu verteilen.

Nicht aufgepasst?

Es ist erstaunlich, dass außer dem grünen Abgeordneten Peter Pilz offenbar kaum jemand in der Politik etwas dabei findet, dass auf diese Weise die Exekutivgewalt in Österreich massiv verstärkt wird. Gerade die Sozialdemokraten, deren jammervoller Untergang in der Ersten Republik untrennbar mit dem Zusammenwirken von Polizei und Heer zu tun hatte, rühren kein Ohrwaschel, um den eigenen Minister in die Schranken zu weisen. Lernt das niemand mehr in den Parteischulungen, hat niemand in der Schule aufgepasst?

Geschichte wiederhole sich nicht, heißt es – aber es können sehr wohl unerfreuliche Parallelen entstehen. Die rot-schwarze Koalition ist alles andere als stabil, andere Regierungsformen sind durchaus denkbar. Was täte etwa ein blauer Verteidigungsminister unter einem blauen Präsidenten und Oberbefehlshaber im Falle einer regierungskritischen Demonstration?

Wer, wie Doskozil, eine derart krasse Verschiebung von Machtverhältnissen anstrebt, sollte darüber nachdenken, ob die auch noch gelten sollen, wenn er einmal nicht mehr an der Macht ist. Und wenn er es selbst nicht tut, sollten ihn zumindest seine Parteikollegen daran erinnern. (Petra Stuiber, 19.10.2016)