Ein Seher (Stefan Suske) hilft jungen Menschen, klar zu sehen.

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Wien – In den Zeiten des Aberglaubens wussten die Ammen noch relativ am besten Bescheid. Auf Nachfrage erzählten sie, Kinder, erwünschte wie unerwünschte, würden vom Storch gebracht. Dramatiker wie der junge, in Berlin lebende Oberösterreicher Stefan Wipplinger besitzen demgegenüber mehr Wissen. In der Uraufführungsinszenierung seines Stückes Hose Fahrrad Frau bringt die Kinder – das Förderband.

Im Volx/Margareten wird der natürliche Lebensraum dieser hoffnungsvollen Geschöpfe von schwarzer Ballonseide begrenzt (Ausstattung: Thea Hoffmann-Axthelm). Die Materialrutsche spült funktionstüchtige Twentysomethings auf die Bühne. Den Windeln sind Wipplingers Kinder leidlich entwachsen. Nichtsdestotrotz kommen sie vom Fließband. Sie heißen Tom, Alf oder Janne, stecken in der zwickenden Haut von Noch-nicht-Erwachsenen und haben jeweils irgendein Projekt am Laufen.

Von Anfang an sind sie einem fürchterlichen Stress ausgesetzt. Sie müssen sich sozial anpassen und dürfen dennoch ihre Unverwechselbarkeit nicht verlieren. Ein "Penner" (Stefan Suske) im Vogelkostüm kreuzt ihre Großstadtwege. An seiner beredten Gestalt ist ein Seher der Griechen, ein Nestor oder Thersites, verlorengegangen.

Genug zum Leben, ideell unterversorgt

Kein Gott gab Wipplingers Figuren zu sagen, was sie leiden. Aber in Holle Münsters hochkomischer Inszenierung, einer Koproduktion mit dem Max-Reinhardt-Seminar, ziehen sie sich tadellos aus der Affäre. Zunächst einmal besitzen sie die Anmut von Robotern, die sich mit eckiger Gebärde die Zähne putzen. Bei Bedarf verwandeln sie sich in praktische Gegenstände, in Spiegel, Kleiderständer oder in ein schmuckes Eisbärenfell.

Wie im Traum huschen die Episoden in sorgsamster Verknüpfung vorüber. Die teils titelgebende "Hose" wird zum zirkulierenden Gegenstand, mit dessen trügerischem Besitz sich die Daseinsproblematik am augenscheinlichsten verbinden lässt. Man hat genug zum Leben. Man weiß dennoch kaum, wie man, ideell unterversorgt, heil über die Runden kommen soll. Die patente Michaela (Alina Ilonka Hagenschulte) hätte so gerne ein Kind von ihrem wohlstandsverwahrlosten Alf (Lennart Lemster). Da sie keines bekommen kann, soll die kratzbürstige Janne (Carolin Knab) als Gebärerin herhalten.

Nicht alle Probleme dieser vor Witz moussierenden Inszenierung kann das Förderband lösen. Aber von Wipplinger darf man sich noch viele kleine Dramen erhoffen. (Ronald Pohl, 20.10.2016)