Istanbul – Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat zur Verlängerung des Ausnahmezustands in der Türkei vor dessen Missbrauch gewarnt. "Es besteht ein ernsthaftes Risiko, dass es zu noch mehr Verstößen kommt als in der ersten Phase des Ausnahmezustands", sagte der Türkei-Experte der Organisation, Andrew Gardner, der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul.

Der in Folge des Putschversuches Mitte Juli verhängte Ausnahmezustand in der Türkei wäre in der (kommenden) Nacht zu Mittwoch ausgelaufen, wurde zuvor aber um weitere 90 Tage verlängert.

Gardner sagte, die Regierung nutze Notstandsdekrete zunehmend, um nicht nur gegen die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen, sondern auch gegen andere Gruppen vorzugehen. Dass die Verlängerung nun vage mit der Bedrohung durch "Terrororganisationen" begründet worden sei, sei ein Hinweis darauf, dass sich dieser Trend fortsetzen werde. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte gesagt, die Verlängerung solle einen effektiveren Kampf gegen den Terrorismus ermöglichen.

Gardner warnte außerdem vor Menschenrechtsverletzungen. Amnesty habe nach dem Putschversuch "schwere Vorwürfe über Folter und Misshandlungen" in Polizeigewahrsam dokumentiert, sagt er. Es sei beunruhigend, dass die Behörden "diese Vorwürfe nicht ernstgenommen haben". Erdogan weist Foltervorwürfe als "Lüge" zurück. Unter dem Ausnahmezustand kann der Präsident per Dekret durchregieren.

Wegen Hinweisen auf einen geplanten Terroranschlag untersagten die Behörden in der Hauptstadtregion Ankara bis Ende November alle Demonstrationen und sonstigen öffentlichen Versammlungen. Der Gouverneur der Provinz Ankara teilte mit, Grund seien Geheimdienstinformationen, wonach eine nicht näher genannte Terrororganisation Anschläge auf Menschenansammlungen vorbereite. Der Provinzgouverneur berief sich bei dem Versammlungsverbot unter anderem auf die Notstandsgesetze. (APA, 18.10.2016)