Damaskus/Washington/Moskau – Nach den Syrien-Gesprächen in Lausanne und London vom Wochenende kommen am Montag die Außenminister der EU-Staaten zu Beratungen in Luxemburg zusammen. Thema ist unter anderem die Frage, wie die EU die internationalen Bemühungen für eine humanitäre Waffenruhe besser unterstützen kann. Umstritten ist dabei, ob gegen Russland neue Sanktionen verhängt werden sollen.

Gegen weitere Sanktionen haben sich Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier ausgesprochen. In Syrien könne nur etwas Positives zustande gebracht werden, wenn die USA und Russland an einem Strang ziehen, sagte Kurz am Montag.

Verhandlungslösung im Vordergrund

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, dass die Frage im Vordergrund stehe, "wie wir doch noch zur Wiederherstellung eines Waffenstillstands kommen können, wie es am Verhandlungstisch weitergehen kann bis zu einer politischen und eben nicht militärischen Lösung". Zugleich bekräftigte er frühere Aussagen, dass Deutschland angesichts der "Kriegsgräuel bis hin zu Kriegsverbrechen" in der umkämpften Stadt Aleppo Verständnis dafür habe, wenn über alle Optionen und damit auch Sanktionen nachgedacht werde.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ist laut Seibert außerdem gewillt, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu treffen und mit ihm über den Friedensprozess in der Ukraine zu sprechen. In Medienberichten hatte es zuvor geheißen, Merkel wolle beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag für neue Sanktionen gegen Russland werben.

Symbolische Maßnahmen

Putin lässt dem syrischen Machthaber Bashar al-Assad weiter massive militärische Unterstützung zukommen. Diese gilt als ein Grund für die katastrophale humanitäre Situation in Aleppo.

Im Gespräch ist, auch weitere Syrer mit EU-Sanktionen zu belegen. Das wird allerdings eher als symbolische Maßnahme gesehen, da gegen die wichtigsten inländischen Unterstützer und Akteure des Assad-Regimes bereits seit langem EU-Einreiseverbote und Vermögenssperren gelten.

US-Außenminister John Kerry hält ein noch umfangreicheres militärisches Eingreifen des Westens in Syrien für unwahrscheinlich. US-Präsident Barack Obama habe zwar keine Option vom Tisch genommen, doch es gebe "keinen großen Appetit in Europa, in den Krieg zu ziehen", sagte Kerry bei einer Pressekonferenz mit seinem britischen Kollegen Boris Johnson am Sonntag. Johnson sprach sich dabei für Sanktionen gegen Russland aus: "Ich glaube, die wirkungsvollste Waffe, die wir zurzeit haben, ist unsere Fähigkeit, Präsident Putin und die Russen die Konsequenz ihres Handelns spüren zu lassen."

Genau diese Strategie betrachtet in Deutschland SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann als untauglich. "In Syrien und Aleppo brauchen wir jetzt schnelle Lösungen", sagte er der "Bild"-Zeitung vom Montag. "Sanktionen wirken, wenn überhaupt, nur mittel- und langfristig." Einen Abschreckungseffekt, Gerechtigkeit für die Opfer und Aussicht auf Frieden gebe es nur, wenn Kriegsverbrecher damit rechnen müssten, vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu landen.

Vergleich Aleppos mit Grosny

Kerry, der sich am Samstag mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow und Vertretern regionaler Mächte in Lausanne getroffen hatte, erhob schwere Vorwürfe gegen Russland. Er verglich dessen Vorgehen in Aleppo mit der Zerstörung der tschetschenischen Hauptstadt Grosny. Erst am Sonntag wurden nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wieder 31 Menschen bei Luft- und Raketenangriffen auf den von Rebellen gehaltenen Teil der Stadt getötet.

Russland forderte am Sonntag erneut eine klare Trennung der moderaten syrischen Opposition von Terrorgruppen wie Fatah al-Sham, der früheren Al-Nusra-Front. Nur eine solche Distanzierung könne eine Feuerpause und Hilfslieferungen ermöglichen.

Die Gespräche in Lausanne waren am Samstag nach nur fünf Stunden ohne Ergebnisse zu Ende gegangen. Im syrischen Bürgerkrieg sind seit 2011 mehr als 400.000 Menschen getötet worden, fünf Millionen Syrer flohen ins Ausland. Anläufe zum Frieden scheiterten immer wieder. (APA, 17.10.2016)