Die Grünen sitzen seit 30 Jahren im Nationalrat – und genau zu diesem Jubiläum empfiehlt ihnen eine Mehrheit der Wahlberechtigten laut einer Standard-Umfrage, dass sich die Partei gefälligst auf den Umweltschutz konzentrieren solle.

Da ist etwas dran: Seit der Parlamentarisierung der Ökologiebewegung hört man immer weniger von grüner Umweltpolitik. Das ist aber nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen. Im Gegenteil: Dass es heute keinen Konflikt um die (Anti-)Atompolitik mehr gibt, ist ein Erfolg der Grünen. Und dass es keine Auseinandersetzung um Großkraftwerke wie das Donaukraftwerksprojekt Hainburg im Jahr 1984 mehr gibt, darf man durchaus auch auf das Konto der Grünen buchen: Großprojekte werden heute besser, sprich umweltverträglicher, geplant. Und es gibt ein Ausmaß an Bürgerbeteiligung, das man sich in den 1980er-Jahren nur erträumen konnte.

Deswegen ist die Sache noch nicht gut. Aber wenn die Grünen für Verbesserungen der Umweltverträglichkeitsprüfung streiten, wenn sie die Umsetzung der Aarhus-Konvention zur Ausweitung der Bürgerbeteiligung einmahnen, dann passiert das in irgendwelchen parlamentarischen Ausschüssen, über die keiner berichten mag. Spektakuläre Besetzungen liefern einfach bessere Bilder als die Arbeit im Parlament.

Auch diese hat sich gewandelt. Zwar waren die Grünen immer mehr als eine bloße Umweltpartei, sie haben sich immer auch für Frieden und Menschenrechte, für soziale Gerechtigkeit und für die Anliegen von gesellschaftlichen Randgruppen engagiert, aber diese Themen sind nicht exklusiv von den Grünen besetzt. Sie sind andererseits nicht unbedingt mehrheitsfähig, vor allem dort, wo es konkret wird. Und gerade dort, wo es konkret wird, gibt es schon wieder keine spektakulären Fernsehbilder – und somit auch nicht genügend mediale Aufmerksamkeit.

Es ist eben harte Routine, an solchen undankbaren Themen dranzubleiben. Und unbedankt bleibt es auch bei vielen Wahlberechtigten. Auch das zeigt sich ja bei der Umfrage, die Market für den Standard gemacht hat: Vier von zehn Österreichern haben schon bei der einen oder anderen Gelegenheit die Grünen gewählt. Aber nur relativ wenige sind zu Stammwählern geworden. Auch diejenigen, die in mehreren Wahlgängen für Ex-Parteichef Alexander Van der Bellen gestimmt haben, werden bei künftigen Wahlen nicht unbedingt für die Grünen zu gewinnen sein.

Das würde auch eine bessere Betreuung an der Basis voraussetzen. Es zeigt sich ja, dass sich die Partei und ihre Wählerschaft vor allem im städtischen Bereich organisieren lassen und dass der Anteil der Grün-Wähler mit der Größe der Wohnsitzgemeinde zunimmt. Im ländlichen Raum sagen nur 21 Prozent, dass sie schon einmal bei irgendeiner Wahl grün gewählt hätten – in den Städten sind es 54 Prozent. In den Städten lassen sich ja auch leichter Projekte für eine kleine, aber gut strukturierte Klientel, die etwa nach Fahrradwegen und Verkehrsberuhigung verlangt, organisieren. Dafür gibt es dann sogar bescheidene Anerkennung.

Das ist schon viel, wenn man bedenkt, dass die Grünen ursprünglich als Protestpartei angetreten sind. Genug ist es nicht. Die andere derzeitige Oppositionspartei, die FPÖ, brauchte 28 Jahre, um eine Regierungsbeteiligung zu erreichen. Demnach wäre es für die Grünen hoch an der Zeit. (Conrad Seidl, 16.10.2016)