Leibnitz – Am Welt-Ei-Tag, dem 14. Oktober also, betreten drei Herren die Bühne des Hugo-Wolf-Saals im nüchternen Charme ausstrahlenden Kulturzentrum Leibnitz und sorgen für Staunen. Pianist Ethan Iverson perlt pomadig mit lieblichen Arpeggi entlang der Kitschgrenze, provoziert die Vermutung, es würde einem Festival, das sich eher komplexen Musikstrukturen widmet, ein stilistisches Ei abseits von abstraktem Raffinement gelegt. Als aus den Klavierschmusesounds auch noch eine wattebauschige Melodie herausdampft, ist unschwer Mandy zu erkennen. Jene Schnulze, die es sich in der Version von Barry Manilow 1974 in den Charts bequem gemacht hat.

Schließlich durfte allerdings Entwarnung gegeben werden: The Bad Plus aus Minnesota (mit diesem Konzert stellte das Trio seine neue CD It's Hard vor) nimmt nur sattsam bekannte Hadern zum Ausgangspunkt musikalischer Verdichtungskünste. Mit Mitteln der Dekonstruktion und ironischen, melodisch-harmonischen Umdeutungen wird das Ursprungsmaterial reanimiert.

Reid Anderson (Bass), Dave King (Schlagzeug) und Iverson zeigen, dass sie in einer jazzigen Tradition stehen, die Populäres aufnimmt, um es neu zu definieren und dieses als Rahmen für höchst individuelle und intensive Interaktion einzusetzen, die bis ins Freitonale ragt. Das übliche Standards-Repertoire, das Great American Songbook, ist ja voll von solchen Pop- und Musical-Hits. Hier wird einfach zusätzliches Repertoire erprobt und "gegrillt".

Beeindruckend dabei die Selbstverständlichkeit, mit der drei Individualisten die Freiheit des Spontanen mit der Sensibilität für die Kompaktheit des Ganzen vereinen. Eine 17-jährige Bandgeschichte schwingt da zweifellos als Rettungsboot mit.

Abstrakte Virtuosen

Ebenso das Fabulous Austrian Trio (Fat) mit Gitarrist Alex Machacek, Bassist Raphael Preuschl und Schlagzeuger Herbert Pirker: Es bezieht seine Leichtigkeit und Eleganz auch aus dem Verständnis zwischen den Musikern. Hier ist Fusion-Stilistik, also Virtuosität der jazzrockigen Art am Werk. Selbst Themen, die ein Höchstmaß an Noten zu verschlingen scheinen, punkten mit Pointiertheit, sind frei von jener Hohlheit, mit der das Fusion-Genre mitunter Scheinleben ausstrahlt.

Machacek ist ein vielseitiger Saitengrübler: Seine entspannten Momente erinnern ein wenig an Bill Frisell. Bei Passagen, in denen er quasi "harfenartig" Akkordzerlegungen einsetzt, erinnert er etwas an Frank Gambale. Sein rasantes Legatolinienspiel versprüht dann aber sehr eigenständiges, abstraktes, improvisatorisches Gespür. In Summe: packende, bisweilen funkige Fusion von hoher Unmittelbarkeit, Präzision und jenem internationalen Format, das auch das kleine Festival in Leibnitz auszeichnet. (Ljubisa Tosic, 16.10.2016)