Das Heizkraftwerk Linden, das zu den Stadtwerken Hannover gehört: Weil der Verkauf elektrischer Energie nur mehr wenig Geld bringt, tüfteln viele Energieversorger an Geschäften rund um den Strom.

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STANDARD: Sie sind vor gut sechs Monaten von Wien nach Hannover gewechselt, von einem Platzhirsch im Strombereich zum nächsten. Was ist gleich geblieben, was hat sich geändert für Sie?

Zapreva: Gleich oder zumindest ähnlich sind die Herausforderungen. Geändert hat sich das Umfeld. Ich dachte, es sei der gleiche Markt. Schaut man aber genauer hin, gibt es doch Unterschiede.

STANDARD: Was sind die größten?

Zapreva: Der Wettbewerb ist in Deutschland massiv. Es gibt viele Anbieter und einen starken Wechsel bei den Strom- und Gaskunden. Es wird hier mit extrem harten Bandagen gekämpft, von Tür zu Tür. Der Weg zum Gericht ist oftmals der einzig mögliche. So haben wir RWE wegen unlauteren Wettbewerbs geklagt und kürzlich auch recht bekommen.

STANDARD: Es geht insgesamt härter zur Sache als in Österreich?

Zapreva: Auf jeden Fall. Ich hatte hier anfangs Hemmungen, den Gerichtsweg zu beschreiten. Aber ohne den geht es gar nicht.

STANDARD: Könnte, dass es in Österreichs Strombranche "gemütlicher" zugeht, damit zu tun haben, dass es viele wechselseitige Beteiligungen gibt?

Zapreva: Das gibt es in Deutschland auch. Die Mentalität ist jedoch anders. Diesen harten Wettbewerb, dieses Feilschen um den letzten Cent gibt es auch in anderen Branchen in Deutschland. Und noch ein Unterschied: In Deutschland ist es nicht zulässig, dass man nur mit dem Energiepreis nach außen auftritt. Hier darf man nur mit dem Gesamtpreis inklusive Netzkosten, Abgaben und Steuern werben. Und es gibt viele Portale ...

STANDARD: Vergleichsportale?

Zapreva: Aber nicht wie in Österreich. Hier kann man sich den ersten Platz kaufen. Das ist nicht so neutral für die Kunden, wie man meinen könnte.

STANDARD: Die Energiewende in Deutschland sei schuld daran, dass es zu großen Verwerfungen auf dem Strommarkt gekommen sei, heißt es in Österreich. Ist da etwas dran?

Zapreva: Es gibt Dinge, die nicht optimal laufen. Deutschland ist auch extrem reguliert.

STANDARD: Kann die Energiewende zu einem guten Ende kommen?

Zapreva: Dass die Energiewende erfolgreich sein wird, dass man CO2-reiche Produktionsquellen aufgibt und stattdessen auf Erneuerbare setzt, stellt hier niemand mehr in Zweifel. Nicht ob, sondern wie man es macht, ist die Frage, die intensiv diskutiert wird.

STANDARD: Sind Elektroautos ein künstlicher Hype, oder können sie tatsächlich ein neuer Absatzkanal für Stromproduzenten werden?

Zapreva: Ich bin überzeugt, dass in den nächsten Jahren viel passieren wird in der Elektromobilität. Bei Ladesäulen sind wir in Kontakt mit Autoherstellern, mit Daimler-Benz arbeiten wir in Sachen Speichertechnologie zusammen, da passiert extrem viel. Starker Druck kommt aus China. Die haben das erklärte Ziel, in der Autobranche die Nummer eins zu werden, was Elektromobilität betrifft. China ist der größte Absatzmarkt von VW, und auch BMW ist dort stark. Deutschland wird rasch nachziehen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten.

STANDARD: Weil sich mit der Produktion von Strom kaum noch Geld verdienen lässt, treten viele Erzeuger die Flucht nach vorn an, gehen in Dienstleistungen.

Zapreva: Wir auch sehr stark in den Wärmebereich. Das ist eine der größten Herausforderungen hier, wenn der Ausstieg aus der Kohlekraft kommt.

STANDARD: Wann wird das sein?

Zapreva: Jedenfalls vor 2050, weil bis dahin die Treibhausgasemissionen um 80 Prozent sinken sollen.

STANDARD: Kunden von Enercity können ihre Rechnungen auch mit der Kunstwährung Bitcoin zahlen. Was versprechen Sie sich davon?

Zapreva: Die Digitalisierung wird die Energiebranche massiv verändern. Theoretisch könnte der komplette Stromhandel obsolet werden, wenn sich das durchsetzt. In Hannover gibt es die längste Bitcoin-Meile Deutschlands, da hat es sich gut getroffen, dass wir uns einklinken, um zu lernen.

STANDARD: Eine Vorwärtsstrategie, um für alles gewappnet zu sein?

Zapreva: In Zukunft erfolgreich zu sein hängt von der Fähigkeit ab, schnell auf Veränderungen reagieren zu können. Neue Technologien aufnehmen und für uns nutzbar machen, daran arbeiten wir. Vor allem an der Transformation unseres Unternehmens, dafür fähig zu sein.

STANDARD: Was haben Sie, als Sie noch in Österreich tätig waren, mit anderen Augen gesehen als jetzt?

Zapreva: Ich habe die Dynamik unterschätzt, mit der sich alles fortbewegt. Ich bin häufig in Berlin, und es ist unglaublich, mit welcher Geschwindigkeit sich Neues aus der Digitalisierung oder anderen Bereichen ergibt. Da muss man nicht ins Silicon Valley fahren. Ich kann nur raten, und das gilt für uns in Hannover auch, möglichst rasch die richtigen Kooperationen zu knüpfen und sich möglichst schnell an die veränderte Situation anzupassen. Die Energiewirtschaft wird in einigen Jahren nicht mehr das sein, was sie einmal war. (Günther Strobl, 17.10.2016)