Wem es noch nicht aufgefallen ist: Der Wahlkampf hat schon begonnen. Nicht jener um den Einzug in die Hofburg, der ist fast nebensächlich. Es geht darum, wie das Land regiert wird, wer der nächste Kanzler wird: Christian Kern, der als Hoffnungsträger einer reideologisierten SPÖ gilt, oder Sebastian Kurz, das Jungtalent, das rechts der Mitte die Anhänger um sich zu scharen versucht. Oder Heinz-Christian Strache, dessen rechtspopulistische FPÖ zumindest nach der Papierform laut Umfragen an erster Stelle liegt.

Dass erst im zweiten Halbjahr 2018 gewählt werden könnte, wie das regulär vorgesehen wäre, ist kaum noch vorstellbar. So lange wird diese Regierung nicht halten. Die Noch-Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP suchen kaum noch die Auseinandersetzung mit der FPÖ, sondern stellen ihren eigenen Konflikt in den Vordergrund. Vielleicht mag es eine gute Strategie sein, die FPÖ einfach ganz weit rechts liegen zu lassen und sie zu ignorieren. Der Umstand, dass die Regierungsparteien die Oppositionsarbeit aber gleich selbst verrichten und sich ihre Arbeit Tag für Tag schlechtreden, ist aber irritierend: Die Regierung beschädigt sich ohne Fremdeinwirkung selbst; mit Vorsatz, wie es scheint.

Der Schlagabtausch im Parlament, bei dem die Regierungsspitzen ihr eigenes Budget bejammerten und einander die Schuld für die Mutlosigkeit und Perspektivlosigkeit dieses Zahlenwerks zuschoben, war schon beachtlich. Die Oppositionsparteien blieben ratlos zurück: Was soll man da noch sagen?

Das lange angekündigte Integrationspaket gibt es nicht, es ist an Detailfragen wie einem Burkaverbot gescheitert. Stattdessen verzetteln sich die Koalitionäre in einer entwürdigenden Debatte, ob man Flüchtlinge zu Arbeit zwingen könne und ob man dafür einen Euro, 2,50 Euro, fünf Euro oder gar nichts zahlen soll – statt alles dafür zu tun, um Arbeit zu schaffen. Statt Flüchtlingen zu helfen und ihnen im Sinne aller die Integration zu erleichtern, wird mit dem völlig irreführenden Anspruch, die Gesellschaft vor Flüchtlingen zu schützen, in Militär und Polizei investiert.

Die Bildungsreform ist in ihren ersten Ansätzen steckengeblieben, über die Pensionen wird gestritten, sowohl was kurzfristige Maßnahmen als auch längerfristige Perspektiven betrifft, und dass die Gesundheitsversorgung immer schlechter wird, nimmt man achselzuckend zur Kenntnis.

Während Kern auf der einen Seite versucht, die SPÖ nach links zu ziehen, hält Kurz am anderen Ende dieses ideologischen Strangs fest dagegen. Der Kanzler trägt den Vorwurf der ÖVP, er sei ein linker Ideologieträger, wie einen Adelstitel vor sich her. Was soll der SPÖ-Chef sonst sein? Stärker als sein Vorgänger rückt Kern die Gerechtigkeitsdebatte in den Fokus, und wenn es das Freihandelsabkommen Ceta hergibt, dann mobilisiert die SPÖ zwischendurch auch gern gegen die Macht der Konzerne.

Für Kern hat das erst einmal in eine Sackgasse geführt: Die Regierung wird mit seinem Segen Ceta doch zustimmen. Die ÖVP bejubelt den Sieg der Vernunft, und Kern hat ein schweres Erklärungsproblem in seiner eigenen Partei, in der sich die Mitglieder in einer Befragung auf sein Geheiß hin gegen Ceta ausgesprochen hatten. Auf dem Weg nach ganz links vorn hat Kern in der SPÖ ein paar Mitstreiter verloren: Diesem Zickzackkurs werden nicht alle mit Begeisterung und erhobenem Haupt folgen können. (Michael Völker, 14.10.2016)