Wien – Die Globalisierung hat den Menschen Wohlstand gebracht, aber der Glaube an den sozialen Aufstieg ist verloren gegangen, sagte Bundeskanzler Christian Kern (SP) Donnerstagabend im Kreisky-Forum. Das könne Parteien an die Macht bringen, die nicht mehr an die Menschenrechte glauben und letztlich das europäische Einigungsprojekt zerstören.

"Dass die Globalisierung das größte Wohlfahrtsprojekt in der Menschheitsgeschichte war, das kann man ja auch aus linker Sicht gar nicht anders betrachten", sagte Kern. Aber der Ausgleich für diejenigen, die davon nicht profitieren, geschehe nicht in ausreichendem Ausmaß und das sei "eine Frage, die in der Lage ist, unsere Gesellschaft zu zersetzen".

In die gleiche Kerbe schlug der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Es werde zwar oft geklagt, dass die Globalisierung an der Ungleichheit in Deutschland oder Österreich schuld sei. Bei genauerer Betrachtung zeige sich, dass dies in beiden Ländern nicht gelte. Die niedrigen Löhne würden nicht in jenen Firmen gezahlt, die im internationalen Wettbewerb stehen. "Exportfirmen zahlen gut", sagte Fratzscher. Wenig gezahlt werde in inländischen Dienstleistungsfirmen, in Branchen "wo es zu viel Regulierung, zu viele Monopole und zu wenig Wettbewerb gibt".

Es sei zwar bequem zu sagen, "die Globalisierung ist schuld", es seien aber fehlende Bildung und Berufsabschlüsse, die Menschen vom Mindestlohn abhängig machten. Problem an der Globalisierung sei dessen Missbrauch, dass sich Großunternehmen den Steuerpflichten entziehen.

Deutschland habe heute ein Problem, Chancengleichheit zu schaffen, warnte Fratzscher. Es werde immer schwerer sich hochzuarbeiten, "immer häufiger heißt es: Arm bleibt arm, reich bleibt reich". In keinem anderen Land hänge das Einkommen der Kinder stärker vom Bildungsgrad und Einkommen ihrer Eltern ab. (APA, 14.10.2016)