Demonstrant in Budapest gegen die Schileßung der regierungskritischen Zeitung "Népszabadság".

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Wien – Die jüngsten Anstrengungen stehen den Journalisten von "Népszabadság" ins Gesicht geschrieben. "Wir haben in den letzten sechs Tagen kaum geschlafen, aber sehr viel geredet", sagt Marton Gergely, der beurlaubte, stellvertretende Chefredakteur jener regierungskritischen, ungarischen Tageszeitung, die vergangenen Samstag ihre Produktion einstellen musste.

Der Eigentümer Mediaworks verwehrte den Mitarbeitern den Zugang zu Büro und Servern. Gergely vermutet, dass die Aktion von langer Hand geplant war und politische Hintergründe. Für Österreich brisantes Detail: Der "Népszabadság"-Mutterkonzern Mediaworks ist im Besitz der Wiener VCP des Investmentbankers Heinrich Pecina.

Gergely ist sicher, dass die rechtskonservative Regierung Viktor Orbans dahinter steckt und Pecina sie gewähren ließ. Ein Interview, das Gergely dem STANDARD gab, lesen Sie hier. "Herr Pecina musste in sehr viele rechtliche Schritte einwilligen, die zur völligen Ausgeliefertheit von ,Népszabadság' geführt hat", sagt Gergely. Zum Beispiel wurde eine Hypothek auf alle Titel der Mediaworks an die regierungsnahe MKB-Bank transferiert. Dadurch könne Pecina nicht mehr alleine rechtlich über die Firma verfügen, sagt Gergely. "Wir nehmen an, dass die Clique von Viktor Orban entscheidet, welche Zeitungen verkauft werden."

Bei der Übernahme "schwadroniert"

"Wir hatten immer die Befürchtung, dass die Firma nicht ehrlich uns gegenüber ist", sagt Gergely. Pecina habe bei der Übernahme 2014 "schwadroniert", wie wichtig ihm Printmedien seien, dass er an Papier und an "Népszabadság" glaube. "Vielleicht war es ein Fehler, aber wir haben nicht gedacht, dass wir ihm nicht glauben können", sagt Gergely vor Journalisten in Wien.

Pecina habe keinen Druck in den Redaktionen ausgeübt. "Wir konnten in den letzten zwei Jahren frei arbeiten." Wenngleich mit jährlichen Budgetkürzungen, die von der Redaktion hingenommen wurden. "Wir haben immer wieder etwas von unserem Stolz gelassen, wir wurden immer kleiner, das hat wehgetan, aber wir wollten immer mitarbeiten."

Die Medien des Oligarchen, Lajos Simicska, ein Bau-, Agrar- und Medienunternehmer, langjähriger Weggefährte Orbans und jetziger Erzfeind, stünden hinter ihnen, sagt Gergely. Rettungsoption sieht er keine: "Wir schätzen es hoch ein, dass die Leute in den Simicska- Medien uns die Daumen drücken, aber mit Simicska haben wir nichts zu tun."

"Eine weitere rote Linie überschritten"

In Ungarn schlage den Redakteuren "viel Sympathie entgegen", sagt Gergely. "Viele Menschen spüren, dass eine weitere rote Linie überschritten wurde".

Mit Kollegen will er Pecinas Büro in der Wiener Innenstadt aufsuchen und ein Statement verlesen. Mediaworks reagiert mit einer Aussendung. Am Sonntag ist in Budapest eine Demonstration geplant. "

Obdachlosenzeitung

Und danach wollen sich die Redakteure der Népszabadság mit einer Sonderausgabe der Budapester Obdachlosenzeitung Fedél Nélkül verabschieden. Wir wollen weitermachen und weiter unangenehm sein", sagt Gergely.

Unbeobachtet bleibt der Besuch der ungarischen Journalisten in Wien jedenfalls nicht: Journalisten wollen unter dem bei der Pressekonferenz anwesenden Publikum einen Gast als "Spion" der VCP ausgemacht haben. (prie, 14.10.2016)