Das aktuelle Urheberrecht wird den Herausforderungen der zunehmend digitalisierten Wirtschaft nicht mehr gerecht.

Illustration: Davor Markovic

In einem Punkt herrscht weitgehend Einigkeit: Das aktuelle Urheberrecht wird den Herausforderungen der zunehmend digitalisierten Wirtschaft nicht mehr gerecht. So drohen viele innovative digitale Geschäftsmodelle an urheberrechtlichen Risiken zu scheitern. Insbesondere Dienste, die das Teilen von Inhalten Dritter ermöglichen und so die Kommunikation zwischen Nutzern fördern, sehen sich verstärkt dem Vorwurf ausgesetzt, Urheberrechtsverletzungen zu dulden oder sogar selbst zu begehen.

Aus der Sicht klassischer (analoger) Geschäftsmodelle, die durch digitale Geschäftsmodelle bedroht sind, scheint eine stärkere Regulierung die richtige Antwort zu sein. Diese Sichtweise hat sich die EU-Kommission im vorgelegten Entwurf (COM(2016) 593) zu eigen gemacht.

Viele Zeitungsverlage kämpfen mit schwindenden Auflagen. Dass ihre Inhalte im Internet von anderen vervielfältigt werden, ohne dafür zu zahlen, schmerzt sie daher doppelt. Derartige Vervielfältigungen erfolgen entweder durch Nutzer, die die Inhalte zum Beispiel auf sozialen Netzwerken teilen, oder durch Websites, die Nachrichten aggregieren.

Zweimal gescheitert

Nach den allgemeinen Grundsätzen des Urheberrechts können die Zeitungsverlage dagegen nicht vorgehen, da typischerweise nur die Schlagzeile und ein kleiner Textausschnitt reproduziert werden. Derart kurze journalistische Texte sind jedoch nicht urheberrechtlich geschützt, da es ihnen an Originalität mangelt. Die Schlagzeile "VfGH hebt Hofburgwahl auf" ist nicht originell, sondern auf tatsächliche Geschehnisse zurückzuführen, die sich kaum anders zusammenfassen lassen.

Um dennoch einen rechtlichen Schutz für derartige Ausschnitte von Presseerzeugnissen zu gewähren, wurde in Deutschland und Spanien seit Jahren von Zeitungsverlagen eine Sonderregelung gefordert, diese wurde schließlich 2013 per Gesetz eingeführt. Auch kurze Ausschnitte sollten aufgrund eines "Leistungsschutzrechts" nur noch mit Zustimmung der Verlage verwendet werden dürfen.

Doch die Nachrichtenaggregatoren reagierten anders als von den Verlagen erhofft. In Deutschland zeigten die größten Plattformen nur noch die Inhalte jener Zeitungen, die ihre kostenlose Zustimmung erteilt hatten. Jene Zeitungsverlage, die auf ihrem neu gewonnenen Leistungsschutzrecht beharrten und ihre Zustimmung verweigerten, erlitten daraufhin einen erheblichen Einbruch ihrer Nutzerzahlen.

Die Zeitungsverlage hatten vernachlässigt, dass jede kostenlose auszugweise Nutzung ihrer Inhalte auch gleichzeitig eine Werbung für die Vollversion dieser Inhalte darstellt. Tatsächlich kommt eine erhebliche, und bei manchen Zeitungen sogar überwiegende Anzahl der Nutzer über News-Aggregatoren auf die Website der Zeitung. Schließlich erteilten in Deutschland alle Zeitungsverlage ihre kostenlose Zustimmung, sodass die Verlage das von ihnen selbst so vehement geforderte Leistungsschutzrecht selbst zum toten Recht machten.

Besucherschwund

In Spanien hatte die Einführung eines Leistungsschutzrechts hingegen einen anderen Effekt. Da es dort den Verlagen aufgrund der deutschen Erfahrungen erst gar nicht ermöglicht wurde, auf das Entgelt zu verzichten, zogen sich große Nachrichtenaggregationsplattformen gänzlich aus dem spanischen Markt zurück. Spanische Nachrichtenwebsites erlitten auf diese Weise einen erheblichen Besucherschwund.

In schlichter Ignoranz dieser Erfahrungen aus Deutschland und Spanien soll das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse nunmehr für ganz Europa eingeführt werden. Die wahren Leidtragenden werden hierbei kleinere Internetunternehmen und Blogger sein.

Sie werden für große Zeitungsverlage schlicht zu unbedeutend sein, um eine Zustimmung zur kostenlosen Verlinkung zu erhalten. So würde sich das Leistungsschutzrecht zu einem echten Bumerang für die Verlage erweisen: Anstatt große Nachrichtenaggregationsplattformen zu schwächen, würde deren Marktposition noch weiter gestärkt.

Derartige Bumerangeffekte sind im Urheberrecht im Übrigen nicht neu – auch das von den Musikverlagen in den 1990er-Jahren vehement geforderte Verbot der Umgehung von Digital-Rights-Management-Systemen (DRM) war maßgeblich dafür mitverantwortlich, dass die Kundenbindung zu den Musikverlagen schwächer und die zu den Herstellern von DRM-Systemen stärker wurde.

Auch eine weitere Maßnahme der neuen Richtlinie hat ein erhebliches Bumerangpotenzial: Der Entwurf sieht vor, dass Onlineplattformen, auf denen Nutzer Inhalte hochladen und mit anderen Nutzern teilen können, besondere urheberrechtliche Schutzmaßnahmen implementieren müssen. So sollen beispielsweise Inhaltserkennungstechnologien vorgeschrieben werden, die automatisch erkennen, ob es sich bei hochgeladenen Nutzerinhalten (User-generated Content) um Urheberrechtsverletzungen handelt.

Mut und Weitblick gefragt

Während große Onlineanbieter derartige kostspielige Maßnahmen durchaus implementieren können (oder bereits implementiert haben), wird dies für kleine Anbieter aufgrund des großen Programmieraufwandes oft nicht möglich sein. Durch diese Form der Regulierung wird auch die Markteintrittsschwelle für neue Anbieter deutlich erhöht und die Entwicklung neuer Technologien und darauf aufbauender Geschäftsmodelle erschwert.

Mittelfristig wird dies dazu führen, dass weniger Unternehmen Dienste für User-generated Content anbieten und die bestehenden, etablierten Anbieter an Gewicht gewinnen. Genau dies ist jedoch nicht die Intention der Rechteinhaber.

Entgegen seinem Namen schützt das Urheberrecht primär Rechteverwerter (z. B. Verlage), jedoch Urheber oft nur unzureichend. Durch Buy-out-Verträge übertragen Urheber häufig sämtliche Rechte an Rechteverwerter, ohne an den erwirtschafteten Gewinnen angemessen zu partizipieren.

Um dem entgegenzuwirken, gewährt der Richtlinienentwurf Urhebern das Recht, eine zusätzliche angemessene Vergütung zu verlangen, wenn die ursprünglich vereinbarte Vergütung im Vergleich zu den späteren Verwertungserlösen unverhältnismäßig niedrig ist. Obwohl sich die praktische Umsetzung eines solchen Anspruches als schwierig erweisen könnte, ist dies dennoch ein wichtiger Schritt, um die Rechte des Urhebers wieder stärker zum Gegenstand des Urheberrechts zu machen.

Der Entwurf der neuen EU-Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt enthält mit Ausnahme eines Rechts auf zusätzliche Vergütung bei kommerziell äußerst erfolgreichen Werken vor allem aufgewärmte Ideen, die bereits auf nationaler Ebene erprobt und katastrophal gescheitert sind.

Die Urheberrechtsentwicklung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass Gesetzesänderungen zum Schutz überkommener Geschäftsmodelle technologische Entwicklungen nicht aufhalten können, sondern vielmehr zum Bumerang werden. Um das Urheberrecht für die digitale Gesellschaft fit zu machen, wären mutigere Schritte mit mehr Weitblick gefragt. (Lukas Feiler, Wirtschaft & Recht Journal)