Sonja Schak war eine der ersten Bewohnerinnen des Hundertwasserhauses im dritten Bezirk in Wien. An ständiges Blitzlichtgewitter hat sie sich fast 30 Jahre später gewöhnt. Angst vor Unwetter hat sie nicht mehr.

"Diese Wohnung habe ich durch eine glückliche Fügung gefunden: 1986 war ich auf der Suche nach einer neuen Wohnung – und die Stadt Wien war auf der Suche nach Mietern, die weder Politiker noch Schauspieler oder irgendwelche andere Berühmtheiten waren. Damit wollte man dem Gerücht entgegenwirken, dass ins Hundertwasserhaus nur Bonzen einziehen.

Foto: Lisi Specht

Es wurden also ganz normale Menschen gesucht, die sich mit dem Hundertwassergedanken identifizieren konnten. Ich habe mich damit beschäftigt und gefunden: Das passt zu mir. Was mir gut gefallen hat, waren die gemeinsamen Nutzflächen: Es gibt Kinderspielräume, Wintergärten und Dachgärten – inklusive mittlerweile meterhoher Bäume, die oben auf dem Dach wachsen.

Heute ist die Hausgemeinschaft leider nicht mehr so eng. Am Anfang waren wir aber wie eine Wohngemeinschaft. Wir haben, als die Kinder klein waren, sogar gemeinsam Wäsche gewaschen. Da hat die Nachbarin angeklopft und gefragt: Hast du Schmutzwäsche für mich?

Fotos: Lisi Specht

Meine Wohnung ist 65 Quadratmeter groß und besteht aus einem sehr großen Wohnbereich und einem Schlafzimmer. Ich wohne hier mit meinem Freund und unseren zwei Hunden. Zu eng war es mir hier nie, aber durch den schlauchförmigen Grundriss ist es relativ dunkel.

Was in der Wohnung typisch für Hundertwasser ist? Die versetzten Holzfenster in unterschiedlichen Farben und Größen und die Terrakottaböden, zum Beispiel. Außerdem soll in alle Räume Tageslicht dringen – auch ins WC. Das kleine Fenster an der Tür haben wir aber zugeklebt.

Meine Möbel stammen aus der Zeit nach meiner Scheidung. Meine Tochter hat sie damals ausgesucht. Sie sind zu 100 Prozent von Ikea – das ist überhaupt ein heißer Tipp im ganzen Haus. Große, schwere Möbel passen aufgrund der Raumhöhe hier auch gar nicht herein.

Fotos: Lisi Specht

Kürzlich haben mein Freund und ich beschlossen: Eigentlich sollten wir etwas anders machen. Ich hätte gerne weniger Kastln und mehr offene Regale. Ein bisschen mehr Luft. Aber eigentlich ist es mir nicht so wichtig. Es muss sauber sein, aufgeräumt – und viele Bücher geben.

An schätzungsweise 364 Tagen im Jahr stehen vor unserem Haus Touristen. Ich bin heute um sieben Uhr früh aufgestanden, da hat schon der erste Japaner sein Stativ vor dem Haus aufgestellt. Das geht bis zehn oder elf Uhr abends.

Als mein Freund hier eingezogen ist, hat er anfangs gesagt: Da blitzt es draußen, es kommt ein Unwetter! Aber nein, das sind nur die Touristen, die das Haus fotografieren.

Fotos: Lisi Specht

Gott sei Dank haben wir wahnsinnig tolle Fenster. Wenn man die zumacht, sind sie schalldicht. Mittlerweile habe ich mich aber ohnehin daran gewöhnt. Es ist manchmal auch ganz lustig. Man kann Studien dazu machen, welche Nationalitäten übergewichtig sind und welche besonders laut.

Die ersten paar Jahre waren aber extrem. Da wurde unten bei allen Glocken geläutet. Die Leute haben unseren Kindern die Tür aus der Hand gerissen, wenn sie aufgesperrt haben. In vier Sprachen steht beim Eingang, warum wir das nicht wollen: Das ist ein Privathaus. Ich kann auch nicht in jeden Garten reinspazieren.

Irgendwann dürfte es sich unter den Reiseveranstaltern herumgesprochen haben, dass hier ganz aggressive Verrückte wohnen, mit denen nicht gut Kirschen essen ist. Wir waren ja wirklich manchmal sehr böse und haben den Touristen im Haus gedroht: Wir sperren jetzt unten zu, und Sie versäumen den Bus.

Von hier wegziehen werde ich wohl nie. Ganz im Gegenteil: Ich beobachte derzeit das Phänomen, dass alle Kinder, die hier groß geworden sind, selbst im Haus bleiben wollen." (17.10.2016)