Josef Missethon konzipierte das Flüchtlingsinternat: Hier sollen unbegleitete Jugendliche auf eine Lehre vorbereitet werden: Mit Deutsch-, Kultur- und Wertekursen und, wenn nötig, Traumatherapien.

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Trofaiach/Graz – "Das Erste, was wir den Burschen beibringen, sind die drei Zauberworte: Bitte, Danke und Grüß Gott." Josef Missethon weiß natürlich, dass das altvaterisch und nicht unbedingt politisch korrekt rüberkommt, "aber es wirkt", sagt der Leiter des Flüchtlingsinternats Stockschloss im steirischen Trofaiach.

"Diese drei Wörter wirken Wunder. Wenn unsere jungen Flüchtlinge in den Ort spazieren, erzählen die Bewohner später herum: 'Die sind aber nett, die grüßen so freundlich.' Grüßen ist ein absolutes Muss auf dem Land. Einige fragen dann nach: 'Aber dürfen s' das überhaupt, das sind ja ... Moslems.' Unser Betreuer, ein Native Speaker, antwortet ihnen dann immer: 'Kein Problem. Hier sagt man Grüß Gott, bei uns Salam aleikum. Egal, es gibt ja nur einen Gott.' Und damit ist die Sache erledigt", sagt Josef Misston.

Traumjob Polizist

Und so lernen die 75 unbegleiteten, meist afghanischen Jugendlichen, die seit Herbst letzten Jahres im sogenannten Stockschloss in Trofaiach betreut und unterrichtet werden, zuerst einmal den steirischen Brauch kennen. Aber das Wichtigste: Die Jugendlichen sollen hier im Internat – sozusagen bei einer 24-Stunden-Betreuung – binnen eines Jahres auf eine Lehre vorbereitet werden. "Wir versuchen die jungen Männer so schnell wie möglich fit für die Lehre zu machen – auch um sie hier in der Region zu halten, was letztlich auch ein Beitrag gegen die Jugendabwanderung aus dieser alten Industriezone sein kann."

Gegenwärtig laufe eine detaillierte Erhebung in den Betrieben über den Bedarf an Lehrlingen im Bezirk. "Parallel dazu schauen wir, welche Talente die Burschen mitbringen, wie qualifiziert sie sind", skizziert Missethon das Konzept des Internatprojekts.

Ein Jugendlicher habe bereits in die Industrie-"Königsliga" einsteigen können: als Lehrling bei der Voest in Leoben. Aber nicht nur die Industrie lockt. Hamid etwa, der über Traiskirchen hierher nach Trofaiach kam, hat ganz andere Wünsche: "Ich möchte gerne Friseur werden." Er muss nur noch eine Lehrstelle finden. In der Zwischenzeit übt er hier im Internat und schneidet allen jungen Flüchtlingen die Haare. Ali kommt aus dem Iran und hat nur einen Wunsch: "Ich möchte Polizist werden. Vielleicht gelingt mir das. Ich bin auf alle Fälle stolz, hier zu sein." Der 17 Jahre alte Amer aus Syrien hat einen anderen Traum: Computerprogrammierer.

Projekt mit irischen Folksänger

Das Stockschloss, eine ehemalige Hauswirtschaftsschule, befindet sich, malerisch gelegen, etwas außerhalb von Trofaiach. Im Hintergrund thront der Reiting, ein Bergmassiv am südlichen Rand der Eisenerzer Alpen. Es gab ursprünglich ganz andere Pläne für das Haus. Als Hannes Missethon – Josefs Bruder – aus der Politik und der Funktion als ÖVP-Generalsekretär ausstieg, gründete er mit einem irischen Folksänger hier eine Agentur für Friedensprojekte. "Ausgehend von Nordirland knüpften wir bald Kontakte zu Friedensnobelpreisträgern, und jetzt arbeiten wir international an Friedensprojekten", sagt Hannes Missethon.

Ein Gespräch mit der afrikanischen Nobelpreisträgerin Leymah Gbowee gab schließlich den Anstoß zum Internatprojekt. Missethon: "Sie sagte so am Rande: 'Ihr Europäer redet ja nur und handelt nicht.'" Das saß. Daraufhin entwickelten die Missethon-Brüder das Konzept dieses Flüchtlingsinternats – finanziert über die üblichen Grundversorgungssätze. Josef, der Unternehmensberater, ist jetzt Geschäftsführer der Schule, Hannes widmet sich nach wie vor den Friedensprojekten.

Pensionierte Lehrer helfen mit

Mittlerweile engagieren sich auch die Bewohner von Trofaiach. "Wir haben schon etliche Patenschaften, ehemalige, pensionierte Lehrer helfen uns, sie machen spezielle Schulungen mit den Kindern. Da haben sich ganz tolle, ganz berührende Beziehungen entwickelt." Einige der Flüchtlinge sind bereits bei der örtlichen Feuerwehr im Einsatz, um die Kicker unter ihnen "reißen" sich die Fußballvereine des Bezirks, sagt Missethon. "Auf dem Land funktioniert die Integration einfach besser, weil viel schneller Beziehungen entstehen".

Und die Religion? Missethon: "Was wir nicht zulassen, sind irgendwelche Radikalisierungstendenzen. Die Hälfte der Jugendlichen ist mehr oder weniger streng gläubig. Sie müssen lernen, ihre Religion im Rahmen des Internatsbetriebs einzubauen. Der Grundgedanke dabei ist: Sie müssen später ja an die hiesige Struktur andocken. Wir diskutieren auch die unterschiedlichen Werte im Unterricht. Wir tabuisieren nichts. Wir reden über alles."

Friedensnobelpreisträgerin unterstützt

Die Spiritualität erlebe er "durchaus positiv". "Die Jungs sind ja ganz allein da, und da ist die Religion eine wichtige Ressource, eine mentale Stütze."

Die Politik – bis auf die FPÖ – stehe jedenfalls "voll hinter uns", und mittlerweile komme auch internationale Unterstützung. Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi besuchte kürzlich das Stockschloss. Josef Missethon hat ihre Eindrücke mitgeschrieben: "Das, was ich heute in der Schule in Trofaiach mit den jungen Flüchtlingen gesehen habe, hat mich sehr beeindruckt. Hier können sie die Sprache lernen, die Kultur, und sie werden auf den Beruf vorbereitet." Ebadi wolle das Trofaiacher Modell, sagt Missethon, nun auch auf der internationalen Bühne vorstellen.(Walter Müller, 14.10.2016)