Der Blick ins Springspinnengesicht lässt es bereits vermuten: Die Tiere haben einen ausgezeichneten Sehsinn. Nun zeigte sich aber, dass sie auch sehr gut hören können.ö

Foto: Gil Menda and the Hoy lab

Ithaca – Dank ihrer großen ausdrucksstarken Augen besitzen Springspinnen ein ausgezeichnetes Sehvermögen. Für ihren Gehörsinn dagegen waren die winzigen Räuber bislang nicht gerade bekannt – ein Irrglaube, den nun Forscher um Paul Shamble von der Cornell University in Ithaca (New York) aufgedeckt haben. Die winzigen Arachniden besitzen zwar keine offensichtlichen Ohren, doch die braucht es offenbar auch nicht, um uns bereits aus mehreren Metern Entfernung kommen zu kören, wie die Spinnenforscher im Experiment nachweisen konnten.

Die Wissenschafter spielten Springspinnen der in Nordamerika verbreiteten Art Phidippus audax zunächst aus unterschiedlichen Entfernungen Töne verschiedener Frequenzen vor und beobachteten, dass die Tiere bei Geräuschen schlagartig erstarrten. Das ist eine übliche Reaktion auf bedrohliche Reize. Die Spinnen reagierten am stärksten im niedrigen Frequenzbereich von etwa 80 Hertz.

Als nächstes untersuchten die Wissenschafter die Aktivität bestimmter Nervenzellen im Gehirn der Spinnen. Sie fanden, dass die Zellen als Reaktion auf Geräusche "feuerten" – also aktiv wurden. Das klappte noch aus einer Entfernung von drei Metern. Die Aktivität der Nervenzellen ließ sich auch auslösen, wenn die Forscher winzige Haare an den Vorderbeinen der Spinnen bewegten. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Tiere mit den Haaren akustische Signale registrieren, schreiben die Forscher im Fachjournal "Current Biology".

Feinde rechtzeitig entdecken

Aber wozu der ganze Aufwand? Das Hörvermögen erlaubt den Spinnen wahrscheinlich, Feinde in ihrer Umgebung wahrzunehmen, etwa räuberische Wespen, schreiben die Wissenschaftler. Durch das Erstarren minderten die Spinnen die Gefahr, entdeckt zu werden. Zudem gebe es ihnen die Gelegenheit, die Situation mit anderen Sinnen gezielt zu beurteilen. Die Fähigkeit, eine Gefahr zu registrieren, noch bevor sie sichtbar werde, stelle einen wichtigen Überlebensvorteil dar, schreiben die Forscher. Denkbar sei auch, dass sie dank des Hörvermögens Beutetiere in ihrer Umgebung erkennen können.

"Bisher dachte man, dass die Sinneswelt der kleinen Springspinnen durch das Sehen und Tastempfindungen dominiert würde", sagt Shamble. "Überraschenderweise fanden wir, dass sie auch einen scharfen Hörsinn besitzen. Sie hören Geräusche aus viel größerer Entfernung als angenommen, und dass, obwohl sie keine Ohren mit Trommelfell besitzen wie die meisten Tiere, die aus großer Entfernung hören können."

In Farbe und gestochen scharf

Die Sinnesleistungen der Springspinnen faszinieren Wissenschafter immer wieder. Im vergangenen Jahr zeigten Forscher der University of Pittsburgh, dass die Tiere ein spektakuläres Sehvermögen besitzen. Sie sehen gestochen scharf, und zwar in Farbe. Bei Spinnen der Gruppe Habronattus gebe es sogar ähnlich wie beim Menschen drei Farbkanäle, berichteten die Forscher ebenfalls im Fachmagazin "Current Biology". Die beiden Hauptaugen sehen demnach im Grün-, Rot- und UV-Bereich – obwohl sie nur zwei Photorezeptor-Typen besitzen.

Springspinnen haben zwei große, dunkle Hauptaugen, die nach vorne gerichtet am Kopf sitzen. Sie sind flankiert von zwei Nebenaugen mit überlappendem Blickfeld. Die seitliche Umgebung behalten vier weitere, kleinere Augen im Blick. Registrieren sie eine Bewegung, dreht sich die Spinne frontal in Richtung der potenziellen Beute. (red, APA, 13.10.2016)