Der Mord eines Polizisten an seiner Freundin und ihrem Kind erregt die Öffentlichkeit. Weniger spektakulär, aber vermutlich verbreiteter: Polizeigewalt im Alltag. Demnächst findet ein Gerichtsverfahren gegen einige junge Männer statt, die seinerzeit gegen den FPÖ-nahen Akademikerball in der Hofburg demonstriert hatten. Die Österreich-Korrespondentin einer großen deutschen Tageszeitung war damals Augenzeugin, wie die Verhafteten von Polizisten brutal misshandelt wurden. O-Ton Polizist: Ich brech dir die Arme wie Zündhölzer, dass es kracht. Auf die Frage der Journalistin, was hier vorgehe, kam die Antwort: Schleich dich zu deiner Merkel, du Schlampe.

Eine beunruhigende Geschichte. War das Verhalten der Polizisten ein Einzelfall? Ein Ausrutscher? Oder kommt so etwas immer wieder vor, nur ohne Augenzeugen? Der Vorfall weckt Erinnerungen an den Schubhäftling Marcus Omofuma, der im Beisein von Polizisten im Flugzeug erstickte, und an den von Polizisten erschossenen minderjährigen Supermarkteinbrecher in Niederösterreich. Meldungen wie diese sind geeignet, das Vertrauen der Bürger in die Exekutive nachhaltig zu erschüttern. Beschützt fühlt man sich von solchen Beamten nicht. Man fürchtet sich vor ihnen, auch wenn man nichts angestellt hat.

Seit neuestem ist das Thema Sicherheit in aller Munde. Für FPÖ und ÖVP ist es geradezu ein Mantra, eine Notwendigkeit, der fast alles andre untergeordnet werden muss. Für Sicherheitsbelange muss einfach Geld da sein, auch wenn das Bildungswesen und das Gesundheitssystem dieses Geld dringend bräuchten. So wurde für die Wiener Polizei ein Panzerfahrzeug angeschafft, um Demonstrationen in Zaum zu halten. Soweit aus den Medien bekannt, wurde es bei einer Demo in Ottakring eingesetzt. Als es auftauchte, war die Demonstration freilich schon zu Ende.

Nicht, dass Sicherheit nicht wichtig wäre. Natürlich wünschen sich alle, dass man sich als Bürger auf der Straße sicher fühlen kann und dass die Polizei verlässlich kommt, wenn man sie braucht. Und man will auch gern glauben, dass das im Großen und Ganzen so ist und die Mehrheit der Beamten ihren Job ordentlich und professionell erledigt. Aber was ist mit der Minderheit, die das nicht tut? Die Polizei, dein Freund und Helfer, hieß es früher. Und unter dem Herrn Inspektor stellte man sich einen Menschen vor, an den man sich jederzeit um Hilfe und Auskunft wenden und eine höfliche und kompetente Antwort erwarten konnte. Und nicht: Schleich dich, du Schlampe.

Sicher, in jeder Berufsgruppe gibt es schwarze Schafe. Was nachdenklich macht, ist freilich die Erfahrung, dass man bei Polizeiübergriffen in der Vergangenheit "von oben" selten klare Konsequenzen erleben konnte – etwa die fristlose Entlassung der Schuldigen -, sondern meistens Entschuldigungen unter Hinweis auf die Härten des Berufs. Wenn die Verantwortlichen es mit der Sorge um die Sicherheit der Bürger ernst meinen, sollten sie wissen, dass diese sich vor allem eines wünschen: die eindeutige Aussage, dass Schlägertypen, Rassisten, Brutalos und Rowdys in Uniform in einer demokratischen Exekutive keinen Platz haben. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 13.10.2016)