Unterhaltsame Spielfilme haben das Potenzial, Einstellungen zu FGM zu ändern, zeigte eine Studie der Uni Zürich.

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Internationale Organisationen kämpfen seit Jahrzehnten gegen die Praxis weiblicher Genitalverstümmelung.

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Zürich/Khartum – 125 Millionen Frauen und Mädchen in 29 afrikanischen und arabischen Staaten sind laut Unicef von weiblicher Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM) betroffen. Jährlich werden mehr als zwei Millionen Mädchen beschnitten, was oft zu psychischen Traumata und schweren Gesundheitsproblemen führt.

Ein ForscherInnenteam der Universität Zürich hat zusammen mit sudanesischen ForscherInnen nach Wegen gesucht, dieser Tradition entgegenzuwirken: Sie produzierten Spielfilme zum Thema und zeigten, dass diese im Kampf gegen FGM helfen können, berichten sie im Fachjournal "Nature".

Heterogene Einstellungen berücksichtigen

Internationale Organisationen kämpfen seit Jahrzehnten gegen die weibliche Genitalbeschneidung. Dennoch hält sich die Tradition hartnäckig in Regionen Afrikas, Asiens und des Nahen Osten. Jüngste Studien zeigen allerdings, dass in den betreffenden Gemeinschaften keine einheitliche Einstellung dazu herrscht. Selbst innerhalb von Familien gibt es unterschiedliche Meinungen dazu.

Bei diesen gegensätzlichen Einstellungen setzten Susanne Vogt, Charles Efferson und Ernst Fehr von der Uni Zürich und ihre sudanesischen KollegInnen Nadia Ahmed Zaid und Hilal El Fadil Ahmed an. Sie zeigten, dass ein unterhaltsamer Spielfilm, in dem nebenbei Argumente für und gegen FGM thematisiert werden, die Meinung der ZuschauerInnen gegenüber unbeschnittenen Mädchen positiv beeinflusst.

Filme über Liebe, Intrige und Betrug

Die WissenschafterInnen produzierten vier Versionen eines 90-minütigen Films über eine Familie im Sudan. In der Haupthandlung ging es um Liebe, Intrige und Betrug. In drei der vier Versionen gab es außerdem eine 27-minütige Nebenhandlung über Töchter, die sich dem Beschneidungsalter nähern. Der vierte Film – die Kontrolle – enthielt keinen Hinweis auf FGM.

In dieser Nebenhandlung diskutierten die ProtagonistInnen der erweiterten Familie Argumente für und gegen FGM. Eine Version fokussierte dabei auf persönliche Wertvorstellungen, also die Bedeutung der Beschneidung in Sachen Moral, Reinheit und religiöse Verpflichtung.

Diskussion statt Druck

In der zweiten Version drehte sich die Diskussion um die Frage, ob ein beschnittenes oder ein nichtbeschnittenes Mädchen bessere Heiratsaussichten habe. In der dritten Version wurden beide Themenbereiche diskutiert. In allen drei Versionen fiel nach ausführlicher Diskussion die Entscheidung, auf die Genitalbeschneidung der Mädchen zu verzichten.

"Statt Druck auf die Gemeinschaften auszuüben und ihr kulturelles Erbe zu ignorieren, haben wir die gegensätzlichen Einstellungen zur Beschneidung als Ausgangspunkt genommen", sagt Studienautorin Sonja Vogt. An der Studie nahmen rund 8.000 Personen aus 127 Gemeinschaften im Sudan teil, die zufällig in vier Gruppen eingeteilt wurden und eine der Filmversionen zu sehen bekamen. Um die Einstellungen messbar zu machen, entwickelten die WissenschafterInnen einen Impliziten Assoziationstest. Dazu wurden mobile Computerlabore verwendet, auch um die Anonymität der ProbandInnen zu gewährleisten. Einige TeilnehmerInnen absolvierten den Test sofort, andere erst nach einer Woche.

Potenzial von Unterhaltungsformaten

Im Vergleich zu denjenigen, die den Kontrollfilm ohne Erwähnung von Beschneidung zu sehen bekamen, zeigten die ZuschauerInnen der anderen drei Versionen nach dem Film eine positivere Einstellung gegenüber unbeschnittenen Mädchen. Besonders die Filmversion, in der sowohl persönliche Wertvorstellungen als auch Heiratsaussichten thematisiert wurden, zeitigte auch nach einer Woche noch diesen Effekt.

Ob sich die Wirkung des Spielfilms auch im Verhalten der ZuschauerInnen niederschlägt und tatsächlich zum Verzicht auf die Beschneidung von Mädchen führt, ist allerdings noch unklar. "Wir wollen das weiter nachverfolgen, um einen möglichen Effekt auf das Verhalten zu testen", sagt Fehr.

Die StudienautorInnen sind überzeugt, dass das Unterhaltungsformat Potenzial hat und von Organisationen genutzt werden könnte, die sich gegen FGM einsetzen. Mit Spielfilmen erreiche man zudem ein breiteres Publikum als mit Bildungsdokumentationen. "Diese laufen Gefahr, vor allem jene Personen anzusprechen, die bereits überzeugt sind", sagt Efferson. Die Studie wurde finanziert vom Schweizerischen Komitee für Unicef und unterstützt von der Unicef Sudan. (chrit, APA, sda, 12.10.2016)