Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) ließ beim ersten Entwurf nachbessern.

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Wien – Die "große" Kronzeugenregelung wird um fünf Jahre verlängert. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim stimmt dem vom Justizministerium nach kritischen Begutachtungs-Stellungnahmen überarbeiteten Entwurf zu. Künftig wird früher klar sein, ob der Kronzeugenstatus zuerkannt wird – und die Voraussetzungen dafür sind nun klarer gefasst, zudem gibt es Rechtsmittel für potenzielle Kronzeugen.

Noch ist die koalitionsinterne Koordinierung nicht ganz abgeschlossen, der Entwurf also nicht Ministerrats-reif – aber es besteht Zeitdruck: Denn das Strafprozessrechtsänderungsgesetz bringt nicht nur die Verlängerung der Kronzeugenregelung – die Ende des Jahres auslaufen würde -, sondern auch die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Rechtsbeistand, die bis 27. November umgesetzt sein soll. Zudem wird der Anwendungsbereich der Diversion etwas erweitert: Auch für Erwachsene soll sie möglich sein, wenn durch eine Tat – also einen Unfall – ein Angehöriger fahrlässig getötet wurde und der Beschuldigte dadurch schwer psychisch belastet ist.

Keine Prozessabsprachen möglich

Um die Verlängerung der Kronzeugenregelung wurde lange verhandelt, im Begutachtungsverfahren gab es sehr kritische Einwände u.a. des OGH und der Rechtsanwälte. Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hat daraufhin eine Expertengruppe eingesetzt und den Entwurf überarbeitet. Jetzt wird klargestellt, dass die Kronzeugenregelung nicht die Tür für – in Österreich verbotene – "Prozessabsprachen" öffnet. Denn nicht die Staatsanwaltschaft biete etwas an, sondern der Kronzeuge müsse sein Wissen freiwillig offenbaren – und damit, samt reumütigem Geständnis, die Abkehr vom eigenen kriminellen Verhalten signalisieren.

Da die 2011 eingeführte Regelung nur selten angewandt, prinzipiell aber von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft positiv bewertet wurde, bemühte man sich um Verbesserungen. Wegen der geringen Fallzahlen war eine abschließende Beurteilung nicht möglich – und so wird die Regelung wieder auf fünf Jahre befristet verlängert und weiter evaluiert.

Die Verbesserungen betreffen die Klärung, wann die Kronzeugenregelung angewendet werden kann – und bringen potenziellen Kronzeugen früher Klarheit, ob sie in den Genuss dieser (wie es im Entwurf heißt) "Rechtswohltat" kommen. Es bleibt dabei, dass bei Korruptions- und Wirtschaftsdelikten mit Strafdrohung über fünf Jahre (ausgeschlossen Sexualdelikte und Taten mit Todesfolge) auf eine Anklage verzichtet werden kann, wenn ein Täter mit den Behörden kooperiert und zur Aufklärung beiträgt – und auch, dass dies auch für Personen gilt, gegen die bereits ermittelt wird.

SPÖ trägt Entwurf "voll mit"

Klargestellt wird, dass es bei führendem oder mitbestimmendem Tatbeitrag keinen Kronzeugenstatus gibt – und auch dann nicht, wenn ein Beschuldigter schon konkret zu den Umständen der aufzuklärenden Straftaten vernommen wurde oder gegen ihn wegen solcher Verdachtsmomente bereits Zwang ausgeübt (also z.B. eine Hausdurchsuchung vorgenommen) wurde. Durch die Möglichkeit des vorläufigen Rücktritts von der Verfolgung wird früher klar sein, ob der Kronzeugenstatus zuerkannt wird. Außerdem erhalten potenzielle Kronzeugen zwei Rechtsmittel – einen Einspruch, wenn die Staatsanwaltschaft ablehnt, und die Möglichkeit, den Kronzeugenstatus in der Hauptverhandlung zu verlangen.

SPÖ-Justizsprecher Jarolim ist froh, dass die Regelung verlängert wird – und trägt den Entwurf "voll" mit, auch wenn "die eine oder andere Verbesserung" aus seiner Sicht noch möglich gewesen wäre. Er drängt gleichzeitig auf Maßnahmen, um "bestehende Schwächen" bei den Ermittlungsbehörden zu beheben. Staatsanwälte und Exekutive würden unter personeller Unterausstattung und fehlenden Sachmitteln (etwa EDV-Programme) leiden, dies verhindere häufig die Aufklärung der in der Regel komplexen Wirtschaftsstraftaten. (APA, 12.10.2016)