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Einem Embryo im Achtzellenstadium wird zur Präimplantationsdiagnostik eine Zelle entnommen. Die Fortschritte der Reproduktionsmedizin verhelfen mittlerweile auch Frauen zu Kindern, die bisher keine gesunden Babys haben konnten. Das sorgt mitunter für Kontroversen.

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Die Politikwissenschafterin Barbara Prainsack erachtet bestimmte Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin – nicht zuletzt ihre Kommerzialisierung – als problematisch.

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Wien – Genaue Informationen wird man erst in einer Woche erhalten. Am 19. Oktober soll John Zhang bei einer Tagung der US-Reproduktionsmediziner in Salt Lake City nämlich mehr über jenen umstrittenen Durchbruch berichten, der Ende September weltweit für Aufsehen gesorgt hat: Einem Team um Zhang war es nämlich gelungen, dass im April dieses Jahres in Mexiko-Stadt ein Bub zur Welt kam, der einen Vater und quasi "zwei Mütter" hat.

Die Frau, die das Baby geboren hat, trägt nämlich eine seltene Erbkrankheit namens Leigh-Syndrom in sich, bei dem die Mitochondrien, also die "Kraftwerke" der Zellen, geschädigt sind. Die Frau konnte deshalb auch keine lebensfähigen Kinder zur Welt bringen, weshalb sich das Ehepaar aus Jordanien entschloss, sich auf ein für Menschen neues Verfahren einzulassen: Zhang und Kollegen implantierten den Zellkern der mütterlichen Eizelle mittels eines sogenannten Spindeltransfers in die Eizelle einer Spenderin mit intakten Mitochondrien und befruchtete diese dann.

Zahlreiche offene Fragen

Das Verfahren ist aus mehreren Gründen kontroversiell diskutiert worden: Erstens ist es in den USA verboten, weshalb der Eingriff in Mexiko unter rechtlich unsicheren Bedingungen stattfand. Zweitens ist die Technik selbst umstritten, weil nicht klar ist, wie viel mitochondriale DNA der eigentlichen Mutter dennoch an ihren Sohn weitervererbt wurde. Und drittens wurden die zahlreichen offenen Fragen rund um die Prozedur kritisiert, die Zhang womöglich am 19. Oktober beantworten wird.

Dieses Baby ist freilich nicht das erste und einzige mit "drei Eltern": Bereits in den 1990er-Jahren praktizierte der Embryologe Jacques Cohen in den USA ein etwas anderes Verfahren, bei dem ebenfalls die Mitochondrien der Mutter ersetzt wurden, das aber seit 2002 strikt geregelt ist. Die 17 bis dahin geborenen Kinder sind heute Teenager, laut Cohen angeblich ohne Gesundheitsprobleme. Eine Studie über 13 der Kinder will er demnächst publizieren, wie das Fachblatt "Nature" berichtete.

Und erst am Montag machte das Fachblatt "New Scientist" bekannt, dass zwei ukrainische Frauen im Jahr 2017 Kinder zur Welt bringen werden, die mittels des sogenannten Vorkerntransfers gezeugt wurden – einer anderen Methode, bei der ebenfalls die Mitochondrien und andere Bausteine der Zelle von einer dritten Spenderin kommen. Die beiden Ukrainerinnen haben keine Erbkrankheiten, sind aber unfruchtbar.

Nicht völlig eindeutige Gesetzeslage

Wäre ein solches Verfahren mit einer Mitochondrienspende in Österreich theoretisch erlaubt? Christiane Druml, die langjährige Vorsitzende der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt, schloss in einem Ö1-Interview diese Möglichkeit aufgrund der herrschenden Gesetzeslage aus – anders etwa als in Großbritannien, wo man das Gesetz im Vorjahr entsprechend abänderte.

Für die am renommierten King's College in London lehrende Politikwissenschafterin Barbara Prainsack hingegen, die ebenfalls der Bioethikkommission angehört, ist die österreichische Gesetzeslage freilich nicht völlig eindeutig: Das neue und recht liberale Fortpflanzungsmedizingesetz sieht unter Paragraf drei (Absatz drei) nämlich vor, dass die Eizellen einer dritten Person ausnahmsweise dann verwendet werden dürfen, wenn jene der Frau, bei der die Schwangerschaft herbeigeführt werden soll, nicht fortpflanzungsfähig sind. "Ob der Begriff 'Eizelle' auch ganz geringe Teile der Spendereizelle ohne den Zellkern mit einschließt, ist für mich nicht ganz eindeutig."

Pro und contra Reproduktionsmedizin

Prainsack ist zugleich aber alles andere als eine kritiklose Befürworterin reproduktionsmedizinischer Eingriffe. So sind für sie neben den gesundheitlichen Risiken für die Mutter jene für Kinder keineswegs völlig ausgeschlossen: Auch aufgrund der neueren Erkenntnisse der Epigenetik wisse man, dass es sehr wohl einen Unterschied bedeuten könnte, wie die Befruchtung stattfindet.

"Die älteste Person, die mittels In-vitro-Fertilisation gezeugt wurde, ist heute 38 Jahre alt. Wir wissen nichts über mögliche langfristige Folgen für die Gesundheit, die sehr viel später sichtbar werden könnten." Das würde im Speziellen auf die Kinder mit drei genetischen "Eltern" zutreffen, bei denen nicht klar ist, wie groß der Restanteil der geschädigten mitochondrialen DNA der "eigentlichen" Mutter in den Zellen der Kinder ist. Für Prainsack spricht dies keineswegs für eine rechtliche Einschränkung des Zugangs zur Reproduktionsmedizin. Allerdings sollte In-vitro-Fertilisation nicht, wie es manchmal aus kommerziellen Erwägungen getan werde, leichtfertig als sichere Lösung für Fruchtbarkeitsprobleme dargestellt werden.

Ethiken des Gen-Editierens

Die wirklich großen bioethischen Herausforderungen der Zukunft liegen für Prainsack freilich in den Möglichkeiten, die sich durch das sogenannte Gen-Editieren für die Fortpflanzungsmedizin – aber beileibe nicht nur für diese – ergeben. Durch neue Methoden wie insbesondere CRISPR-Cas9 ist es in den vergangenen Jahren sehr viel einfacher geworden, Veränderungen am Genom von Menschen, Tieren und Pflanzen vorzunehmen.

Die Bioethikkommission wird im November deshalb gemeinsam mit den deutschen und Schweizer Kollegen eine Tagung zu diesem Thema abhalten. Die Briten sind wieder einmal etwas weiter: Der einflussreiche Nuffield Council on Bioethics hat bereits Ende September einen ersten Vorbericht veröffentlicht und dabei nach den verschiedenen Anwendungsbereichen – von Nutzpflanzen über Nutztiere bis hin zur Eingriffen bei Embryos – unterschieden.

Anrecht auf wissenschaftlichen Fortschritt

Für Prainsack ist dieser Vorbericht deshalb ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: "Umfassende ethische Richtlinien, die gleichermaßen für alle potenziellen Anwendungsbereiche gelten, wären beim Genome-Editing unsinnig, gerade weil diese in jedem Sektor unterschiedlich sind."

Für bemerkenswert hält sie auch die Art, wie der Einsatz der Technik beim Menschen diskutiert wird: "Der Bericht geht davon aus, dass diese neue Technik potenziell Leiden verhindern kann und dass Menschen im Grunde ein Anrecht darauf haben." Das sei im Übrigen durch die Menschenrechte gedeckt. So spricht Paragraf 15 des Sozialpaktes der Vereinten Nationen vom Recht jedes Menschen "an den Errungenschaften des wissenschaftlichen Fortschritts und seiner Anwendung teilzuhaben". (Klaus Taschwer, 12.10.2016)